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Sport: Schneller als Ian Thorpe

Sven Gallasch ist Deutschlands bester Flossenschwimmer – und nimmt jetzt Abschied

Von Frank Bachner

Berlin. Natürlich hatte er am Schluss noch geweint, es war ja ein Abschied für immer. Als Sven Gallasch auf den Startblock stieg, tobten die Leute in der Schwimmhalle. Aber es hatte nichts mit ihm zu tun. Die Zuschauer wussten nicht, dass Gallasch vor seinem letzten internationalen Wettkampf stand, vor seinen letzten Bahnen, vor seinem letzten Nationalmannschaftsstart. Die Weltmeisterschaft 2002 im Flossenschwimmen fand in Patras in Griechenland statt, und die Fans in der Halle feuerten ihre eigenen Leute an. Gallasch wurde Vierter in seinem letzten internationalen Rennen, als Schlussschwimmer der deutschen 4-x -400-m-Staffel.

Als der Berliner dann aus dem Wasser stieg und sich erst mal zurückzog, bevor er auf die Tribüne zu Teamkollegen ging, weinte er. Denn mit diesem Wettkampf hatte – vor wenigen Tagen – der erfolgreichste deutsche Flossenschwimmer, den es je gab, seinen Abschied von der internationalen Bühne genommen. Der 30-Jährige vom Deutschen Unterwasserclub Berlin (DUC) weiß nicht mehr, wie oft er Deutscher Meister in dieser Spezialdisziplin, in der man sich mit einer riesigen Flosse vorwärtstreibt, geworden ist. Sein Trainer Hans-Joachim Abraham kann auch nur schätzen: „35-mal mindestens“.

Aber Gallasch waren deutsche Meistertitel nie wirklich wichtig. „Meine Motivation waren immer Welt- und Europameisterschaften“, sagt er. Bei der WM 2002 verpasste er zweimal knapp Bronze. Auch mit der 4-x-200-m-Staffel wurde er Vierter, auf seiner Spezialstrecke 200 m belegte er Platz sechs. Seine Bestzeit über 200 m steht bei 1:27,36 Minuten. Bei der WM war er mehr als eine Sekunde langsamer. Zum Vergleich: Ian Thorpes Freistil-Weltrekord über 200 Meter liegt bei 1:44,69. Aber der Australier hatte dabei auch keine Flosse an den Füßen.

Sven Gallaschs größter Erfolg war Silber bei der WM 2000 über 200 m. 1999 hatte er mit der 4-x-100-m-Staffel Bronze geholt. „Die letzten Jahre“, sagt Gallasch, „waren die Höhepunkte für mich.“ 2001 erlebte er aber auch seinen Tiefpunkt. Bei der EM wurde er mit der deutschen 4-x-200-m-Staffel disqualifiziert, wegen eines angeblichen Wechselfehlers. Das wurmt Gallasch bis heute. Und das zeigt auch, wie intensiv Gallasch seinen Sport lebte. „Das ist Leistungssport“, sagt er. Zehn- bis zwölfmal pro Woche hat er trainiert, immer in der Schwimmhalle des Sportforums in Hohenschönhausen. Hier kennt er jede Kachel. Als Jugendlicher war er in der Sportschule, die ein paar Meter weiter liegt. Damals schwamm er noch ohne Flossen. Aber als er mit 15 aus der Trainingsgruppe wegen zu schlechter Leistungen flog, wechselte er zum Flossenschwimmen. Das war damals Teil der Gesellschaft für Sport und Technik (GST). DDR-Zeiten. 1992 dann der Sprung in die Nationalmannschaft. Er trainierte immer intensiver, hatte bald in Deutschland keine echten Gegner mehr und kämpfte sich international immer weiter nach vorn. Das ging aber nur mit hartem Training. Gallasch ist nicht bloß im Wasser, er läuft auch viel, fährt Fahrrad und geht intensiv Ski laufen. „Aber es machte immer Spaß“, sagt der Student des Wirtschaftsingenieurwesens. Das war wichtig. „Ohne das Gefühl von Spaß hätte ich aufgehört.“ Flossenschwimmer „bilden eine Art Familie“, man kennt sich, und Gallasch hat nun „Freuende in aller Welt und kann überall in Deutschland übernachten“. Die Harmonie ersetzt fehlendes Medieninteresse und spärlichen Geldfluss. Eine Flosse kostet rund 200 Euro, und die ganz neuen, die von den Russen hergestellt werden und an den Rändern eine Neoprenbeschichtung haben, kosten „400 oder 500 Euro“. Gallasch aber erhält von der Sporthilfe nur wenig Geld. Dabei kostet ihn sein Sport im Jahr rund 1500 Euro. Trainingslager, Fahrtkosten, Übernachtungskosten, es sammelt sich.

Aber dafür arbeitet er seit 1995 als Filmvorführer, er braucht das Geld ja auch, weil er nur Student ist. Aber nicht mehr lange, und deshalb hat er jetzt seinen Abschied von der Nationalmannschaft erklärt. Gallasch will im nächsten Jahr ein längeres Praktikum im Ausland absolvieren, da fehlt es dann an genügend Training und Wettkampf-Einsätzen. „Meinen Anspruch, in der Weltklasse mitzuschwimmen, kann ich so nicht erfüllen“, sagt Gallasch. Er wird noch ein bisschen auf nationaler Ebene schwimmen, aber selbst dort wird es langsam eng für ihn. „Wir haben hervorragende Nachwuchsleute“, sagt der 30-Jährige.

Jetzt hat Sven Gallasch mehr Zeit für sein Hobby, das Tauchen. Dazu passt das Abschiedsgeschenk seiner Mannschaftskameraden: ein Buch über den Tauchpionier Hans Hass. Gallasch will es nutzen. Endlich. In den letzten zehn Jahren, sagt er, „bin ich vielleicht einmal im Jahr abgetaucht, wenn überhaupt“.

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