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Sport: Schritt zurück nach vorn

Philipp Kohlschreiber trainiert wieder zu Hause – und steht bei den Australian Open im Achtelfinale.

Es ist lange her, dass Philipp Kohlschreiber so ausgelassen nach einem Sieg gejubelt hat. Die Art, wie er nach seinem 6:3, 6:2 und 7:6-Erfolg über den Kolumbianer Alejandro Falla ausgelassen über den Showcourt 3 hüpfte, wirkte wie eine Befreiung. Übermäßig viele Siege waren es in der vergangenen Saison auch nicht gewesen, noch weniger von der wichtigeren Sorte. Bei allen vier Grand Slams hatte der Augsburger gerade einmal eine einzige Runde überstanden. Kohlschreiber scheint das Seuchenjahr überwunden zu haben und knüpft mit seinem Einzug ins Achtelfinale der Australian Open an jene Leistungen an, die ihn bis auf Platz 22 der Weltrangliste gebracht hatten.

„Die Freude musste einfach raus“, sagte Kohlschreiber, „ich weiß jetzt endlich wieder, was ich auf dem Platz machen muss.“ Dass er lange Zeit nicht er selbst gewesen sei, ist für den 28-Jährigen der Hauptgrund, dass er zeitweilig sogar aus den besten 50 der Weltrangliste herausgerutscht war. Dabei sollte Kohlschreibers Weg steil nach oben gehen, als er im Herbst 2010 mit Miles Maclagan jenen Trainer verpflichtete, der den Briten Andy Murray auf Rang zwei der Weltrangliste und in zwei Grand-Slam-Finals geführt hatte. „Mein Ziel sind die Top 20“, hatte Kohlschreiber nicht erst damals angekündigt, und er sollte diese selbstbewusste Prognose noch bereuen.

Schon mit dem früheren Coach von Tommy Haas, dem Schweden Thomas Hogstedt, war der sportliche Aufstieg gescheitert und das aus den gleichen Gründen wie danach mit Maclagan. Kohlschreiber war im Grunde nicht bereit, die Änderungen zu akzeptieren, die die Trainer an seinem Spiel vornahmen. Er klagte immer wieder, dass er sich nicht mehr wohlfühle, oft wirkte er hilflos auf dem Platz. Nach der Trennung von Maclagan im Sommer dokterte Kohlschreiber monatelang allein an seinem Spiel herum, bis er im Winter den in seiner Situation einzig logischen Schritt unternahm: Er kehrte zurück nach München, wo der gebürtige Augsburger mit dem Tennis begonnen hatte, und zurück zu Trainer Stefan Eriksson. Eigentlich hatte er sich von dort emanzipieren wollen. „Es ist der Ort, an dem ich mich am wohlsten fühle“, erklärte Kohlschreiber, „von der neuen Gruppendynamik profitieren wir alle.“ Dass auch die Davis-Cup-Kollegen Florian Mayer und Philipp Petzschner dort trainieren, wirkte für das Trio gegenseitig befruchtend.

Am meisten profitierte davon bisher Kohlschreiber, der in Australien zum dritten Mal im Achtelfinale steht. 2005 scheiterte er noch an Andy Roddick, 2008 kämpfte er den US-Amerikaner in der Runde zuvor in einer elektrisierenden Nightsession nieder, unterlag danach jedoch Jarkko Nieminen. „Ich fühle mich reifer, ich bin bereit für ein Viertelfinale“, sagt Kohlschreiber heute. Dabei steht ihm jedoch eine 1,98 Meter große Hürde im Weg. Der wiedererstarkte US-Open-Champion von 2009, Juan Martin del Potro, ist zum fünften Mal sein Gegner. Nie konnte Kohlschreiber bisher gegen den Argentinier gewinnen. Doch seine jüngsten Auftritte machen selbstbewusst: „Keiner ist unschlagbar.“

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