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Sport: Schumi-Aus: Pech, Unvermögen, Absicht?

Immer dann, wenn Michael Schumacher das Kinn etwas nach vorn schiebt und bitterernst dreinschaut, ist mit ihm nicht gut Kirschen essen. Gincarlo Fisichella wusste das.

Immer dann, wenn Michael Schumacher das Kinn etwas nach vorn schiebt und bitterernst dreinschaut, ist mit ihm nicht gut Kirschen essen. Gincarlo Fisichella wusste das. Deshalb war er schnell zum Ferrari-Star gelaufen und hatte sich entschuldigt. Sicherlich das Beste, was der Benetton-Pilot nach dem Startunfall auf dem Hockenheimring machen konnte, um eine heiße Situation etwas abzukühlen. Im Nachhinein herrschte fast Einigkeit darüber, dass der Italiener diese Abbitte nicht hätte leisten müssen. Zwar bewertete Schumacher die Szene beim Großen Preis von Deutschland mit Ironie ("Vielleicht bin ich ja wieder der Schuldige. Das scheint sich einzubürgern"), doch eine Aktie an dem Unfall war ihm nicht abzusprechen. So beurteilte es auch Mercedes-Sportchef Norbert Haug: "Wenn Michael die Situation kritisch betrachtet, wird er sich sicher eine Mitschuld geben."

Auch Ex-Weltmeister Niki Lauda wiedersprach dem Deutschen, der aus seiner Opferrolle heraus den Rennfahrer-Kollegen, die ihm weder Respekt noch Vorfahrt zukommen lassen würden, schwere Vorwürfe machte. Entgegen der Grundregel in der Formel 1: Kein Fahrer fährt einem Kollegen mit Absicht ins Auto, das Risiko wäre in einem derartigen Fall von niemandem zu kontrollieren. In der Vergangenheit war es Michael Schumacher selbst, der damit mehr oder weniger in Konflikt geraten ist. "Schumi"-Unfälle sind eine beinahe schon unendliche Geschichte ...

Die Grenzen zwischen Pech, Unvermögen und Absicht waren seit 1992 in Magny Cours, als Michael Schumacher als junger Spund in der Königsklasse mit dem großen Ayrton Senna in einen Startunfall verwickelt war, stets fließend. Zwei Jahre später gab es die Dauer-Fehde mit dem Engländer Damon Hill. 1994, in Adelaide im WM-Finale, kam es zum Unfall zwischen beiden, ebenso 1995 bei den Großen Preisen in Silverstone und Monza. Gegenseitige Schuldzuweisungen waren die Folge. Am Ende konnte der Kerpener mit Benetton jeweils den Weltmeistertitel feiern. 1996 in Monaco fuhr Schumacher seinen Ferrari in der ersten Runde an eine Mauer. "Das war eigene Dummheit", äußerte er sich damals noch selbstkritisch.

Den spektakulärsten geistigen Ausrutscher leistete er sich 1997 beim WM-Showdown in Jerez. Schumacher verlor den Start gegen Jacques Villeneuve auf der Poleposition und lenkte in letzter Not seinen Ferrari gegen dessen Williams. Schumacher schied danach aus, aber Villeneuve wurde Dritter und holte sich mit drei Punkten Vorsprung den Titel. Weitere Vorfälle mit Michael Schumacher, der mit aller Macht sich und Ferrari den Titel schenken möchte, gab es danach in jeder Saison: 1998 in Montreal (mit Heinz-Harald Frentzen), in Spa-Francorchamps (David Coulthard), in Monaco (Alexander Wurz) und 1999 in Silverstone, als ein technischer Fehler ihn fast das Leben gekostet hätte, sowie 2000 vor Hockenheim in Spielberg (Ricardo Zonta).

Start-Unfälle gab es in der Formel 1 schon immer. Das Problem bei Michael Schumacher war zuletzt jedoch, dass er sich oftmals mit wilden Verschwörungs-Theorien zu rechtfertigen versuchte. In Hockenheim entsprach sein ersten Kommentar erneut diesem Klischee: "In solchen Situationen müssen sich einige einfach cleverer verhalten. Das kann einmal passieren. Fisichella ist aber derjenige, dem das oft passiert." Wie dieser Vorgang wirklich einzuschätzen ist, brachten der "Tages-Anzeiger" und "The Times" auf den Punkt. "An Schumachers viertem Ausfall in den letzten fünf Rennen hat vor allem einer Schuld: Schumacher selbst. Ihm missglückt der Start, und er ist es, der danach von der rechten Streckenhälfte auf die linke Fahrbahnseite wechselt, wo sich Fisichella, der seine Linie beibehält, nicht in Luft auflösen kann", war in der Schweizer Zeitung zu lesen, während die Briten kommentierten: "Schumachers Wende zum Schlimmen. Der Rüpel der Formel 1 erhielt eine Portion seiner eigenen Medizin."

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