zum Hauptinhalt

Sport: Schwäbisches Rätsel

Trainer Bernd Schuster ärgert Real Madrid und gibt den Bayern einen Tipp

Bernd Schuster sieht langsam aus wie der jüngere, schlanke Gérard Depardieu. Die Nase sitzt groß im Gesicht, Wangen und Hals sind etwas fleischig geworden, die blonden Haare fallen über den Kragen des Hemds, sein Schnauzer ist fast bis zur Unsichtbarkeit gestutzt. Es ist 22 Uhr am Sonntag, Schuster steht in der Pressezone des Bernabéu-Stadions in Madrid, er spricht in Handys, die ihm Reporter in die Hand drücken, er spricht in bunte Mikrofone, auf denen „Radio Onda Cero“ und „Punto Radio“ steht, er spricht in Kameras und er hat gute Laune. In Deutschland hat der Schwabe den Ruf eines grummelnden Schweigers, hier redet er spanisch und es wirkt, als hätte seine Zunge in dieser Sprache eine Heimat gefunden.

Er hat ja auch einen angenehmen Abend erlebt. Er ist Trainer des kleinen Vorortklubs Getafe und hat beim mächtigen Champions-League-Verein Real Madrid mit einem 1:1 einen Punkt geholt. Die Zeitungen schreiben, Schuster könnte in der kommenden Saison hier arbeiten.

Im Moment tut das Fabio Capello. Der Italiener ist nicht sehr beliebt, Schuster mögen sie, er hat selber mal für Real gespielt. Sympathien sind in diesem Beruf meist vom Erfolg abhängig, auch da sieht es nicht gut aus für Capello. Europas umsatzstärkster Verein steht nach nun 24 Spieltagen auf Platz vier, Getafe als Achter nur sieben Punkte dahinter. Von Schusters Spielern muss man keinen Einzigen kennen, Capello fehlten Raúl, Diarra, Emerson, Cannavaro und Guti, ein Elite-Ensemble hatte er mit Beckham, Carlos, Robinho und den anderen trotzdem auf dem Rasen. Schuster steht mit Getafe erstmals in der Vereinsgeschichte im Halbfinale des Pokals, Capello muss am Mittwoch gegen Bayern München erstmal das Viertelfinale der Champions League erreichen. Vor allem: 80 000 Zuschauer konnten am Sonntag sehen, wie ein homogenes Getafe munter nach vorne spielt. Capello probiert nur herum.

David Beckham, zum Beispiel. In der ersten Halbzeit ließ ihn der Trainer im zentralen Mittelfeld auftreten. Der Engländer wirkt agil, seit er seine glamouröse Zukunft in Los Angeles gesichert weiß; er drosch nach 37 Minuten den Ball an die Latte. Nur sind seine Geniestreiche nun mal lange Flanken und Diagonalpässe mit dem rechten Fuß, und man muss nur einen Zirkel nehmen um zu zeigen, wo solche enden, wenn sie aus der Mitte des Feldes geschlagen werden. In der Halbzeit scheint Capello dieses geometrische Rätsel gelöst zu haben, denn Beckham rückte nach rechts und Gago nahm seine ursprüngliche Position ein. Wenig später humpelte die Nummer 23 vom Platz. Der Beste aus dem 3:2-Hinspiel gegen München wird am Mittwoch nicht dabei sein. Er hatte sich am rechten Knie einen Innenbandschaden zugezogen und fällt deswegen vier Wochen aus. Auch José Antonio Reyes, dessen linkes Knie lädiert ist, wird fehlen.

Bernd Schuster hat die zunehmenden Sorgen seines Trainerkollegen aus seinem Versteck beobachtet. Um 18 Uhr 58 war er ins Stadion getreten und schnurstracks nach rechts abgebogen, wo er unterm meerblauen Dach der Trainerbank verschwand. Die Feldherrengeste vorn am Rasen überließ er Capello. Nur selten blitzte für Sekunden blondes Haar auf, beim 1:0 seines Klubs machten die Hände von Schuster klatsch-klatsch und tauchten wieder ab. Es dauerte bis zur 42. Minute, da schritt er kurz in die für den Trainer markierte Zone an der Seitenlinie. Selbst als noch vor der Pause van Nistelrooy den Ausgleich per Elfmeter besorgte, blieb er unsichtbar.

Selbstverständlich kamen später Fragen. Ob er die Rufe einiger Zuschauer – „Schuster bleib hier“ – gehört habe? Ob das Fans aus Getafe oder von Real gewesen seien? „Der war gut“, sagte der Blonde und lachte wie über einen gelungenen Witz. Und wie sich die Trainerbank im Bernabéu anfühle, wollte einer wissen. „Bequem“, sagte Schuster, „so bequem ist sie bei uns in Getafe nicht“. Er grinste.

Das wird nun alles politisch gedeutet werden. Auch, dass sich der gebürtige Bayer partout auf ein Unentschieden am Mittwoch festlegte. Dies würde die Münchner aus der Champions League werfen, den Verein immerhin, für den Schuster unlängst auch als Trainer gehandelt wurde. Bedeutet das das Ende dieser Ambitionen? Und warum gibt er dann Bayern den Rat, Bälle gerade durch die Abwehr zu spielen, da sei Real verwundbar? Fabio Capello und Bernd Schuster – an diesen beiden werden Freunde des Orakels noch lange ihre Freude haben.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false