zum Hauptinhalt

Sport: Schweigsam abwärts

Trainer Thomas Doll hält trotz Negativserie an seinen Prinzipien fest – und der Hamburger SV an ihm

Von Karsten Doneck, dpa

Karsten Bäron ist voller Zuversicht. Er rechnet mit einem „unvergesslichen Erlebnis“. Die Fans vom Supporters Club haben Bäron und der von ihm trainierten Regionalligamannschaft des Hamburger SV Flugtickets spendiert – als Dank für das 0:0 am Sonntag beim Stadtrivalen FC St. Pauli. Es geht nach Portugal: zum Champions-League-Spiel des Bundesligisten HSV beim FC Porto (heute, 20.45 Uhr, live bei Premiere). Doch wenig spricht dafür, dass Bäron im Estadio do Dragao, im Drachenstadion, allzu viel Vergnügen haben wird an denen, die dort auf dem Rasen die schwarz-weiß-blaue Raute auf den Trikots tragen. Der HSV, wohlgemerkt dessen erste Mannschaft, steckt tief in der Krise. Schon seit 13 Pflichtspielen haben die Hamburger nicht mehr gewonnen, sie sind in der Bundesliga Vorletzter. Und mittendrin in diesem Schlamassel versucht Trainer Thomas Doll Übersicht und Ruhe zu bewahren.

Das Gerede von der Krise prallt an Thomas Doll derzeit noch ab. Der Trainer sagt: „Krise? Das wäre doch, wenn wir jedes Mal vom Gegner vorgeführt werden.“ Das ist tatsächlich nicht der Fall. Verloren hat die Mannschaft in den insgesamt 14 Pflichtspielen in dieser Saison sechsmal, aber jeweils nur knapp mit einem Tor Unterschied.

Dennoch: Doll befindet sich in der heikelsten Phase seines Trainerdaseins. Seit seinem Dienstantritt am 18. Oktober 2004 gab es unter ihm beim HSV nur eine Richtung: steil aufwärts. Vom letzten Bundesliga-Tabellenplatz weg führte er die Mannschaft zunächst über den UI-Cup in den Uefa-Cup und in der folgenden Saison noch höher hinauf, in die Champions League. Dann kehrte sich der Trend um, offenbar unaufhaltsam geht es nun abwärts.

Thomas Doll versucht, auch jetzt Haltung zu wahren, seinen Prinzipien treu zu bleiben. Es gibt in den Medien erste Kritik an ihm. Er müsse in Zukunft härter, fordernder, lauter gegenüber seinen verwöhnten Profis auftreten, wird da empfohlen. „Ich werde mich nicht verbiegen“, antwortet Doll, auch wenn ihm nach missratenen Auftritten der Mannschaft zuletzt deutlich anzumerken war, wie gerne er auch mal laut werden würde. Er verkneift sich aber die kamerawirksamen Showeffekte, schweigt, wo andere drauflospoltern würden. „Was es zu sagen gibt, sage ich intern“, lautet seine Devise, und er hält sich stur an diese Vorgabe.

Thomas Doll erfährt in diesen schweren Zeiten viel Fürsprache. Die Fans feiern ihn auch nach verlorenen Spielen, sein Vorgesetzter, HSV-Chef Bernd Hoffmann, hat sich unmissverständlich zum Trainer bekannt. „Wir müssen nur gut, ordentlich und leidenschaftlich weiter arbeiten“, sagt Hoffmann. Sogar die Trainer der Gegner schlagen sich auf Dolls Seite. Unlängst würdigte Arsenals Coach Arsene Wenger die Arbeit seines Hamburger Kollegen durch eine schönfärberische Beurteilung des Zustands der HSV-Elf. Die sei „physisch sehr fit, schnell bei Kontern, sehr gefährlich bei Eckbällen und Freistößen“, sagte der Trainer der Engländer. Wenger hatte leicht reden: Arsenal hatte gerade in der Champions League mit 2:1 in Hamburg gewonnen. Das passiert dem HSV in jüngster Zeit viel zu oft: Es gibt Lob für Niederlagen.

Die Misere beim HSV hat ihre Ursachen. Der vor der Saison vollzogene Umbruch, ein paar spät hinzugeholte Spieler, deren Integration Zeit braucht, dazu die vielen Verletzten und dann auch noch die sieben Platzverweise, die sich der HSV in dieser Saison eingehandelt hat. Zu Recht fühlt sich Doll vom Fußballglück derzeit vernachlässigt. Dietmar Beiersdorfer, der Sportchef, stützt diese These: „Wir konnten doch in dieser Saison noch nie mit der einigermaßen kompletten Mannschaft spielen.“ Gegen Porto fällt nun auch noch David Jarolim aus. Er hat sich am Samstag gegen Schalke (1:2) vor seinem gelb-roten Platzverweis, der für die Champions League unerheblich ist, einen Bänderriss in der Schulter zugezogen. Folge: rund vier Wochen Pause. Abwehrchef Vincent Kompany leidet nach wie vor an einer Leistenzerrung.

Der Hamburger Mittelfeldspieler Alexander Laas schiebt diese negativen Dinge weit von sich. Er sagt: „Alles Lamentieren hilft nichts.Wir müssen positiv in die Zukunft schauen. Jetzt zählen keine Worte, sondern nur noch Taten.“ Taten, die Karsten Bäron die Reise nach Porto tatsächlich zum „unvergesslichen Erlebnis“ machen könnten? Auch Thomas Doll glaubt fest an das Gute. „In Porto nehmen wir einen neuen Anlauf“, sagt er. Es ist bereits der 14. Anlauf zu einem Sieg, keine wirklich gute Quote – auch nicht für den Trainer.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false