zum Hauptinhalt
Die Formel-1-Fahrer dachten vor dem Rennen in Sotschi an ihren gegen den Tod kämpfenden Kollegen Jules Bianchi.

© AFP

Update

Schwer verunglückter Formel-1-Pilot: Bianchis Vater: Ein Wunder, dass mein Sohn noch lebt

Der Vater des schwer verunglückten Formel-1-Piloten hat ein deprimierendes Interview gegeben. "Die Lage ist verzweifelt", sagt Philippe Bianchi.

Mit erschütternder Offenheit hat der Vater von Jules Bianchi über die „verzweifelte“ Lage des schwer verunglückten Formel-1-Piloten gesprochen. „Bei jedem Telefonklingeln wissen wir, dass es das Krankenhaus sein könnte, das uns sagt, dass Jules tot ist“, sagte Philippe Bianchi in einem Exklusivgespräch der italienischen Zeitung „La Gazzetta dello Sport“. Die Ärzte hätten ihnen gesagt, dass noch nie jemand einen so schweren Unfall überlebt habe und es an Wunder grenze, dass ihr Sohn noch lebe.
„Es gibt Momente, in denen ich Jules anschaue, ohne eine Schramme im Bett liegend, und ihm am liebsten einen Klaps auf die Wange geben und sagen würde: „Los, steh auf, warum liegst du da? Lass uns Japan verlassen, Jules, fahren wir nach Hause““, erzählte Philippe Bianchi.
Wie der Rest der Familie, enge Freunde und auch Michael Schumachers Arzt Gerard Saillant war er auf dem schnellsten Weg nach Yokkaichi gereist.
Dort kämpft sein 25 Jahre alter Sohn seit seinem Unfall am 5. Oktober gegen Ende des Großen Preises von Japan in Suzuka um sein Leben. Er erlitt schwerste Schädelverletzungen. Das wahre Ausmaß der Schädigungen ist nicht ersichtlich. „Es ist hart, in einer Woche ist das Leben unserer Familie zerstört worden“, sagte der Vater von Bianchi: „Was machen wir, wie machen wir das hier, weit weg von allem? Wir durchleben einen Alptraum.“ Kraft gibt der Familie nicht nur das ungebrochene Vertrauen in die Stärke von Jules Bianchi, sondern auch die riesige Anteilnahme. „Ich habe noch nie etwas Ähnliches gesehen“, sagte Philippe Bianchi. „Wir sind sicher, dass all diese Liebe, diese Energie, dass Jules das fühlen kann.“ Unter anderem nannte er Jean-Eric Vergne von Toro Rosso, Fernando Alonso von Ferrari oder auch Felipe Massa von Williams, die ihnen Nachrichten hätten zukommen lassen. So wie auch WM-Spitzenreiter Lewis Hamilton. „Hamilton hat uns eine wunderschöne E-Mail geschrieben, in der uns gesagt hat, wenn er etwas tun kann, ist er für uns da“, so der Bianchi-Vater. Ferrari-Teamchef Marco Mattiaci sei die gesamte Nacht nach dem Unfall im Krankenhaus geblieben. Jules Bianchi gehört seit 2010 der Fahrer-Akademie des italienischen Teams an.

Im Zuge der Ursachenforschung gerät inzwischen auch Bianchis Team Marussia unter Druck. Laut „Sport Bild“ soll der Rennstall den Piloten trotz der geschwenkten Gelben Flaggen, die Gefahr signalisierten, per Funk zum Gasgeben aufgefordert haben. Den entsprechenden Funkspruch soll der Automobil-Weltverband Fia aufgezeichnet haben. Eine offizielle Bestätigung dafür gab es nicht.

In der Formel 1 sitzt der Schock über den Unfall weiterhin tief

Wie tief in der gesamten Formel-1-Gemeinde der Schock von den schrecklichen Unfall-Bildern sitzt, blieb auch Tage später bei der Formel-1-Premiere in Sotschi überall und jederzeit spürbar. Vergne hatte eine Aktion mit Aufklebern für seinen guten Freund initiiert, Ferrari stellte sich mit Alonso und auch Kimi Räikkönen zu einem großen Gruppenfoto auf. Vor dem Start formierten sich alle Piloten zu einem Kreis. Es herrschte eine beklemmende Atmosphäre, angesprochen auf ihren Kollegen, stockte bei allen die Stimme. Philippe Bianchi erinnerte in dem Gespräch mit der italienischen Sportzeitung auch an die Situation von Michael Schumacher nach dessen Skisturz am 29. Dezember, bei dem sich der Rekordweltmeister ein schweres Schädel-Hirntrauma zugezogen hatte. „Mir ging es schlecht, als er sich verletzt hat. Und auch ich habe mich wie alle anderen gefragt, warum sie uns nicht sagen, wie es ihm geht. Jetzt fragen mich alle, wie es Jules geht, aber ich kann keine Antwort geben, weil es keine Antwort gibt“, sagte Bianchis Vater.

Ferrari hat einen Neurochirugen nach Japan entstandt

„Er ist sehr schwer verletzt, aber sein Zustand ist stabil“, erklärte er. Einen Tag scheine es etwas besser, einen anderen etwas schlechter zu gehen. „Die Ärzte sagen nichts, der Schaden durch den Aufprall war groß, aber sie wissen nicht, wie es sich entwickeln wird.“ Zum medizinischen Team gehört nach seinen Angaben auch ein Neurochirurg, den Ferrari nach Japan entsandt hat.
Ans Rennfahren denkt niemand, für Bianchi geht es nur darum zu überleben. Als hätte die Bianchi-Familie durch ihre Motorsport-Leidenschaft nicht schon genug leiden müssen. Jules Großonkel Lucien starb bei einem Sportwagen-Unfall, sein Großvater - Philippes Vater - Mauro erlitt ebenfalls bei einem Sportwagen-Unfall schwere Brandverletzungen. (dpa)

Zur Startseite