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© AFP

Schwimmen: Phelps: Das sensible Phänomen

Schwimmstar Michael Phelps will sieben Mal Gold holen und bester Olympia-Athlet aller Zeiten werden – am Samstag schwimmt er 400 Meter Lagen. Es soll nur der Auftakt seiner Siegesserie sein.

So muss das wohl sein unter Freunden, die sich seit Jahren täglich am Beckenrand treffen. So wie bei Bob Bowman, dem geschäftstüchtigen Schwimmcoach, und seinem Vorzeigeschüler Michael Phelps. Dem Mann, der in Peking Geschichte schreiben will. Der 23-jährige Ausnahmeschwimmer Phelps will zum erfolgreichsten Olympioniken aller Zeiten aufsteigen. Natürlich mit Bowman, dem Trainer, der ihn seit Jahren betreut, und dem er seinen unnachahmlichen Aufstieg zu einem ganz erheblichen Teil verdankt. „Wir haben eine großartige Freundschaft“, sagt der US-Amerikaner Phelps. „Jeder von uns weiß genau, welche Knöpfe er beim anderen drücken muss.“ Bewusste Fehleingaben inklusive: „Drückt er bei mir die falschen Knöpfe, dann mache ich eben das gleiche bei ihm.“Am Freitag müssen sie erstmal die richtigen Knöpfe drücken, Phelps hat heute bei den Vorläufen über 400 Meter Lagen seinen ersten Einsatz.

Die Geschichte mit den Knöpfen klingt zwar nach dem Verhalten eines alten Ehepaares, brachte aber in der Vergangenheit stets den gewünschten Erfolg. Phelps, der vielseitigste Schwimmer auf dem Erdball, sammelte in den vergangenen sieben Jahren Titel und Weltrekorde wie keiner anderer vor ihm. Er hält die Weltrekorde über 200 Meter Freistil, 200 Meter Schmetterling sowie 200 und 400 Meter Lagen – und peilt nun die sporthistorische Tat seines Landsmanns Mark Spitz an, der bei den Spielen 1972 in München zu sieben Mal Gold schwamm. So gut will Michael Phelps jetzt auch sein. Oder besser, ganz klar ist das noch nicht.

Eindeutig sind die offiziellen Angaben des US-Schwimmverbandes, der den Topathleten für sieben Strecken gemeldet hat. In der 4x100-Meter-Freistilstaffel wird Phelps fehlen. Über 100 Meter Freistil hatte er bei der Olympia-Qualifikation der USA vor einem Monat im Vorlauf nur Rang drei belegt, danach verzichtete er auf einen Finaleinsatz. Befolgen die Amerikaner ihre strikten Regeln auch in diesem speziellen Fall, wird Phelps in Peking also maximal sieben Goldmedaillen gewinnen können.

Phelps begründet seine Leistungssprünge mit seinem eisernen Willen

Mehrere Goldmedaillen werden es am Ende sicher sein – falls der schlaksige Schwimmer nicht krank oder positiv getestet wird. Dopingmissbrauch konnte ihm bis jetzt aber nicht nachgewiesen werden. Phelps selbst begründet seine seit Jahren phänomenalen Leistungssprünge vor allem mit dem eisernen Willen, mit dem er seinen Sport betreibt. „Als ich aufwuchs, war ich einmal in einem Zeitraum von fünf Jahren jeden Tag im Wasser“, erzählt das Multitalent, das bei seinem ersten Start in Peking schon wieder mehr als 300 Tage ohne Pool-Pause hinter sich haben wird.

Für seine grandiose Becken-Karriere hat er Urlaube gestrichen und Beziehungen beendet. „Alles, was noch auf mich zukommen mag, kann warten“, sagt Phelps, der in China auf einen Mann vergeblich warten wird: auf den australischen Superstar Ian Thorpe, der jahrelang über 400 Meter Freistil ungeschlagen war und gegen den er so gerne noch einmal bei Olympia angetreten wäre. Thorpe ist zurückgetreten. Bestens motivieren kann Thorpe den schnellen Kollegen aber auch ohne Badehose am Körper. Dazu genügen seine Statements.

Die abfälligen Sprüche seiner Kontrahenten sammelt er im Spind

„Ich glaube nicht, dass Michael in Peking acht Mal Gold gewinnen wird“, prophezeite Thorpe, kurz bevor Phelps zu den US-Trials ins Wasser stieg. Da konnte der Australier nicht wissen, dass Phelps in Peking nur die Chance auf sieben Olympiasiege haben würde. Solche Kommentare von Thorpe kann der US-Star wörtlich zitieren, er sammelt sie bei sich im Spind. Sozusagen eine Verbaldroge. Thorpe hatte Phelps 2004 in Athen beim „Rennen des Jahrhunderts“ über 200 Meter Freistil besiegt. Damals trafen Phelps, Thorpe und der Holländer Pieter van den Hoogenband, drei Superstars, aufeinander. Auf sechs Siege und zwei dritte Plätze kam Phelps am Ende.

In Athen habe er sich gefühlt „wie ein Reh im Rampenlicht“, das nicht wusste, wie es mit dem Druck und dem Trubel umgehen sollte. Den Druck hatte natürlich auch sein Hauptsponsor erzeugt, der Phelps zu mehreren Goldmedaillen treiben wollte. Zudem ist Phelps derzeit der einzige Schwimmer in den USA, der sich sehr erfolgreich vermarkten lässt. Die USA sind zwar eine Schwimm-Großmacht, aber im Land selber interessieren die Fans sich nur bei Olympischen Spielen für die Stars im Pool.

Seit Athen hat sich einiges geändert im Leben des Michael Phelps: Er verließ das Elternhaus in Maryland, wo er mit seiner Mutter gelebt hatte, und zog nach Ann Arbor. Dort trainiert er unter Bowman an der University of Michigan, legte sich eine englische Bulldogge zu, wurde drei Monate nach den Athener Spielen bei einer Autofahrt unter Alkoholeinfluss erwischt und musste zur Strafe Reden in Schulen halten und an einer Diskussionsrunde der Organisation „Mütter gegen Alkohol am Steuer“ teilnehmen.

Michael Phelps hat sich kurz ausgetobt – und dann wieder fleißig seine Bahnen gezogen. „Ich hab’ ein bisschen zu viel herum gespielt und die Dinge nicht so ernst genommen, wie ich das hätte tun sollen“, sagte er zu der Zeit nach Athen. Jetzt sagt der mutmaßliche Topstar der Peking-Spiele, der als Kind unter dem Aufmerksamkeits-Defizit-Syndrom ADS litt und nun die russische Turnerin Larissa Latynina (9x Gold, 5x Silber, 4x Bronze) als erfolgreichster Olympiastarter aller Zeiten ablösen könnte: „Ich bin entspannter, ruhiger als damals. Ich weiß, was mich erwartet.“

Dazu zählen auch: Endläufe am Vormittag. Für Morgenmuffel Phelps könnte das ein selbstverschuldetes Problem werden. Schließlich wurde der übliche Ablauf mit den Finals am frühen Abend nur deswegen geändert, weil der amerikanische Olympiasender NBC Phelps’ Medaillenjagd unbedingt zur besten Sendezeit in den USA ausstrahlen will.

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