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Sport: Sechs Tage für Philadelphia

Bis 2008 soll in den USA ein Velodrom nach Berliner Vorbild entstehen

Berlin - Die Idee, auf einer Bahn sechs Tage lang ohne Pause bis zur absoluten Erschöpfung Rad zu fahren, stammt aus Amerika. Im Jahr 1899 fanden im New Yorker Madison Square Garden die ersten Sixdays mit Zweiermannschaften statt. Doch während die Amerikaner langsam das Interesse am Bahnradsport verloren, haben sich die Sechstagerennen in Europa bis heute weiterentwickelt.

Jetzt wollen zwei ehemalige US–Radprofis in einem Vorort von Philadelphia einen 30 Millionen Dollar teuren Sportkomplex mit Velodrom bauen. Wenn die Halle fertig ist „wollen wir das Sechstagerennen in die USA reimportieren“, sagte David Chauner am Wochenende in Berlin. Früher fuhr er selbst bei Sechstagerennen mit. Heute ist er Präsident der „Pro Cycling Tour“, Amerikas führendem Veranstalter für Straßenrennen. Gemeinsam mit Jack Simes, der heute die Firma Veloplex-Arenas leitet, und den beiden Hauptinvestoren war Chauner zum 96. Berliner Sechstagerennen gekommen, um sich Tipps zu holen. Herumgeführt wurde die Delegation von Ralph Schürmann, dem Architekten des Berliner Velodroms, der auch die bisher einzige Indoor-Radrennbahn Amerikas in Kalifornien gebaut hat.

Im Velodrom an der Landsberger Allee geht am heutigen Dienstag das 96. Berliner Sechstagerennen zu Ende, bei dem verschiedene Wettbewerbe ausgetragen wurden. Anders als im 19. Jahrhundert wechseln sich heutzutage Mannschaftsjagden und Zeitfahren ab – zwischendurch können sich die Fahrer erholen. Außerdem gibt es Rennen, bei denen vor den Radfahrern sogenannte Schrittmacher auf Motorrädern oder auf kleinen Krafträdern (Dernys) fahren, um den Radprofis Windschatten zu geben.

David Chauner und Jack Simes glauben, „dass diese moderne Form in den USA Zukunft hat“. Den Initiatoren des Sport-Komplexes im US-Bundesstaat Pennsylvania gefällt vor allem die Volksfeststimmung in Berlin – mit Musik und Wurstbuden. „Das ist genau das, was die Amerikaner wollen“, schwärmte auch Arun Savani, der mit seinem Bruder Bhaskar Hauptinvestor des Sportkomplexes ist. Die Savani-Brüder betreiben neben 13 Zahnarztpraxen auch mehrere Hotels in den USA.

Sie und die beiden Sechstage-Veteranen glauben an einen Radsport-Boom in den nächsten Jahren. Amerikas erstes überdachtes Velodrom, das 2004 an der Westküste eröffnet wurde, ist inzwischen etabliert. Die Multifunktionshalle an der Ostküste soll in nur anderthalb Jahren fertig sein. „Wenn alles klappt, können wir im September 2008 eröffnen“, sagte Chauner. Die Baugenehmigung haben Simes und Chauner schon. „Auch die Bevölkerung ist für den Sportkomplex, weil er die Gegend wirtschaftlich aufwerten wird“, sagte Chauner. Ob Ralph Schürmann aus Münster auch die 250-Meter-Bahn bei Philadelphia bauen darf, wollten die Bauherren noch nicht verraten. „Wir führen gerade Gespräche darüber“, sagte Simes.

In dem neuen Velodrom soll es nicht nur Radrennen im Stile der Berliner Sixdays geben. „Wir wollen die besten Elemente verschiedener Sportarten kombinieren“, sagte Chauner. Boxen, Basketball, Badminton und Volleyball – all das soll in der Multifunktionshalle möglich sein. „Radrennen sind spannend, schnell und sehen gefährlich aus – genau das wollen die Amerikaner “, ist sich Simes sicher.

Aber interessieren sich die Amerikaner überhaupt fürs Fahrradfahren – in einem Land, in dem es kaum Radwege gibt und Autorennen gerade besonders „in“ sind? „Auf jeden Fall hat Radfahren Potenzial“, meint Chauner. Allerdings müsse man der Bevölkerung den Radsport erst noch nahe bringen. „Probleme, wie Übergewicht bei Jugendlichen durch zu wenig Bewegung im Alltag hat man längst erkannt“, sagte der ehemalige Profi-Sportler. Außerdem würden in den USA neuerdings viele Radwege angelegt. Und immerhin haben es die Ex-Profis schon geschafft, mit der „Pro Cycling Tour“ jährlich Profi-Straßenrennen auszurichten.

Tatsächlich wird das neue Velodrom an der Ostküste nicht nur mit dem Auto zu erreichen sein. „Es gibt bereits einen Radweg, der aus der Innenstadt von Philadelphia in das Randgebiet führt, genau dorthin, wo die Halle stehen soll.“

Dagny Lüdemann

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