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Sport: Sein wichtigster Kampf

Branko Klepacs schwere Erkrankung überschattet das Basketballspiel zwischen Alba und Bonn

Einer musste es ihm sagen. Michael Volkmer ist Orthopäde des Basketball-Bundesligisten Telekom Baskets Bonn, seit acht Jahren arbeitet er für die Baskets, seitdem kennt er Branko Klepac. „Ich habe ihn schon selber operiert, ihm Spritzen verpasst oder gesagt, dass er nicht spielen kann“, sagte Volkmer. Doch seit seinem Gespräch mit Klepac am vergangenen Freitag ist in Klepacs Leben nichts mehr, wie es einmal war. Eine Nervenwasser-Untersuchung hat die niederschmetternde Diagnose ergeben: Der 26-Jährige ist an Multipler Sklerose (MS) erkrankt. „Branko wird das Ausmaß seiner Erkrankung erst in einigen Tagen realisieren“, sagt Volkmer. „Da greifen Schutzmechanismen, sonst würde man ja verrückt.“

Seit die Mannschaft, die am kommenden Samstag bei Alba Berlin gastiert (18.30 Uhr, Max-Schmeling-Halle, live auf Premiere), von Klepacs Krankheit erfuhr, befindet sich der ganze Klub im Schockzustand. Präsident Wolfgang Wiedlich fehlen die Worte und Manager Jochen Lucksch arbeitet an einem Konzept, wie man dem Spieler helfen kann. „Es ist nicht so, dass das Leben endet, es ändert sich“, sagt er. Täglich hat er mit Klepac telefoniert. Nur: „Es wäre dummes Gerede, hier von einer Chance zu sprechen.“ Denn MS ist eine entzündliche und degenerative Erkrankung des zentralen Nervensystems. An der Autoimmunerkrankung leiden in Deutschland zwischen 120 000 und 140 000 Menschen. MS ist bis heute nicht heilbar – allerdings therapierbar. „Viele Laien denken bei MS ja gleich an einen Rollstuhl“, sagt Volkmer. „Das ist falsch. 75 Prozent der Patienten kommen ohne aus. Und nur sehr selten stirbt ein Betroffener daran.“

Trainer Michael Koch ist allerdings ganz froh, das erste Spiel nach der Diagnose in Berlin zu spielen. „Dieses Spiel ist für uns alle kein normales Spiel“, sagt er, „ich denke, in Berlin kann man das gut verstehen. Schließlich traf Alba mit Matej Mamics Verletzung ein ähnlich brutales Schicksal.“ Er hofft, „dass wir gegen Berlin richtig einen raushauen. Das wäre ein tolles Geschenk für Branko.“ In einer Teamsitzung am vergangenen Sonntag informierte der Klub seine Spieler. Jeder sollte die Möglichkeit haben, seine Meinung und Ängste kundzutun. Die Stimmung beschreibt Koch als „gedrückt und betrübt“. Deshalb erwartet Koch nicht unbedingt eine Trotzreaktion seiner Mannschaft. „Es könnte auch sein, dass alle verkrampfen und wir nichts auf die Reihe bekommen.“

Klepac, der in acht Jahren für Bonn 311 Spiel absolvierte und 14 Mal im Aufgebot der deutschen Nationalmannschaft stand, hat in einer Pressemitteilung verkündet: „Ich werde den Baskets auf dem Spielfeld nicht mehr helfen können. Mein Leben beginnt ab heute neu – außerhalb des professionellen Sports.“ Dabei will Volmer nicht ausschließen, „dass Branko irgendwann in der Landesliga spielen kann“. Doch Leistungssport wäre für das angegriffene Immunsystem zu gefährlich. Das bestätigt auch Lars Wiesel vom Deutschen Behinderten-Sportverband: „Ein Leistungssportler, der an MS leidet, ist uns nicht bekannt.“ Dabei könnte Klepac das Schicksal der amerikanischen Rennfahrerin Kelly Sutton Mut machen. Bei der 35-Jährigen wurde mit acht Jahren MS diagnostiziert. „Damals sagten mir die Ärzte, ich könnte noch acht Jahre laufen.“ Im vergangenen Jahr fuhr Sutton in Daytona, dem härtesten Autorennen Amerikas, auf Rang 17. Die Bonner Fans wollen in Berlin T-Shirts mit der Aufschrift „Keep on Fighting“ tragen. Dem ist nichts hinzuzufügen.

Martin Fünkele[Köln]

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