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Sport: Sein Wille für ein Team

Tschechiens Pavel Nedved ist nicht zu ersetzen

Tomas Galasek hat am Dienstag eine seltsame Geschichte erzählt. Sie handelt von seinem Mannschaftskollegen Pavel Nedved und spielt im Estadio do Dragao von Porto, in dem die tschechische Nationalmannschaft gerade 3:0 gegen Dänemark gewonnen hatte. Nedved musste zur Dopingprobe, und weil er wie immer viel gelaufen war und sein Flüssigkeitshaushalt erhebliche Defizite aufwies, zog sich das Procedere ein wenig hin. Es dauerte dann so lange, dass Nedved befürchtete, der Mannschaftsbus könne ohne ihn abfahren. Also ließ er über einen Betreuer ausrichten, wenn die Mannschaft nicht auf ihn warte, könne sie gern ohne ihn spielen am Donnerstag im EMHalbfinale gegen Griechenland in Porto (20.45 Uhr, live in der ARD).

Natürlich hat der Bus gewartet, denn wer verzichtet schon gern auf einen Mann, den viele für den besten Fußballspieler Europas halten. Pavel Nedved bringt mehr in eine Mannschaft ein als nur sein individuelles Können. Es gibt elegantere Spieler, aber kaum einer kann eine Mannschaft mit seinem Willen, seiner Kraft und Laufbereitschaft so mitreißen wie der Star von Juventus Turin. Das wissen seine Kollegen, deshalb verzeihen sie ihm Eskapaden wie die Drohung mit dem Halbfinal-Boykott, und wenn er mal wieder erzählt, dass er alle zwei Wochen nach Rom zum Friseur fliegt – was soll’s. Pavel Nedved verdient acht Millionen Euro im Jahr, und er ist nicht frei von Allüren. Aber er ist zu wichtig, als dass die Tschechen ihn entbehren könnten.

Im Viertelfinale gegen die Dänen gab es eine dramatische Szene. Das war beim Stand von 0:0 kurz nach der Pause, als Nedved und Thomas Gravesen zusammenstießen und der Tscheche schreiend zu Boden ging. Für ein paar Sekunden hielt er sich das Knie, dann humpelte er über den Rasen. Aber er hielt durch, er ließ sich nicht auswechseln, und nichts symbolisierte die Erleichterung der Tschechen besser als das Führungstor, das Jan Koller nur ein paar Sekunden nach dem Zusammenprall von Nedved und Gravesen gelang.

„Pavel ist ein Ausnahmespieler, auch ich kann von ihm noch viel lernen“, sagt Tomas Rosicky. Der Dortmunder bildet gemeinsam mit Tomas Galasek, Karel Poborsky und eben Pavel Nedved das spielfreudigste Mittelfeld bei dieser EM. Sie stehen mit ihrer individuellen Klasse für das neue Selbstbewusstsein einer Fußball-Nation, der immer ein wenig das Image des schönen Scheiterns anhaftete, trotz des EM-Sieges von 1976. Bei dieser EM ist es den Tschechen egal, ob sie in Rückstand geraten oder von einer taktisch disziplinierten Mannschaft wie den Dänen lange Zeit in Schach gehalten werden. Das Angebot an begnadeten Einzelkönnern ist so groß, dass immer wieder einer für die Wende gut ist. Gegen Lettland gelang Marek Heinz das Siegtor, gegen Holland Vladimir Smicer, gegen Deutschland Milan Baros, im Viertelfinale wies Jan Koller die aufmüpfigen Dänen mit seinem Kopfballtor in die Schranken, bevor der überragende Baros zweimal nachlegte, jeweils brillant in Szene gesetzt von Poborsky und Nedved.

„Das ist unser ganz großer Vorteil: Wir haben einen Kader mit 23 exzellenten Spielern“, sagt Trainer Karel Brückner. Seine Spieler nennen ihn Klekih-petra, nach dem weisen Schulmeister der Apachen, und aus diesem Spitznamen spricht mehr Respekt, als es zunächst den Anschein hat. Karel Brückner hat als Spieler nur in der Zweiten Liga gekickt und als Trainer das Provinzteam von Sigma Olomouc betreut. Und doch ist ihm gelungen, woran alle seine Vorgänger gescheitert sind: Er hat aus den grandiosen Solisten eine Mannschaft gemacht.

Ob die Pavel Nedved heute auch ein dummes Foul verzeihen würde? Eines wie im Viertelfinale, als er den Dänen Jesper Grönkjär im Frust über einen Ballverlust umtrat? Nedved sah dafür die Gelbe Karte, und wenn er heute erneut verwarnt wird, ist er gesperrt für das Finale, vorausgesetzt, die Tschechen ziehen überhaupt ins Endspiel ein.

Nedved kennt das schon, dass man nicht dabei ist in einem Finale. 2003 machte er im Champions-League-Halbfinale gegen Real Madrid das Spiel seines Lebens, schoss ein tolles Tor und kassierte noch eine Gelbe Karte. Ohne seinen gesperrten Star ging Juventus schließlich in das Finale und verlor es gegen den AC Mailand.

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