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Stürmer Jamie Vardy (unten) spielte einst mit Fußfessel.

© AFP

Sensations-Spitzenreiter in England: Über Leicester City wird nicht mehr gelästert

In der reichsten Liga der Welt ist Außenseiter Leicester City sensationell Tabellenführer. Am Samstag kommt Manchester United zum Spitzenspiel. Und ein Deutscher kann einen Rekord feiern.

Die Stadt Leicester, und dafür muss man nicht einmal in den englischen Midlands gewesen sein, ein Besuch am Leicester Square in London etwa genügt, wird natürlich nicht „Leichester“ ausgesprochen, sondern „Läster“. Und dass über den Leicester City Football Club gelästert wird, gehört zu der 131-jährigen Klubgeschichte wie die 27 Auf- und Abstiege dieses Yo-Yo-Teams, wie man in England Fahrstuhlmannschaften zu nennen pflegt. So wirkte es auch wie Lästerei, als Gary Lineker neulich bei Twitter schrieb: „Hatte gestern Nacht diesen lächerlichen Traum. Träumte, Leicester wäre an der Spitze der Premier League. Wirkte so echt!“ Das war weder ein Traum noch Lästerei, denn erstens ist Leicester City Linekers Heimatverein und zweitens tatsächlich Tabellenführer. Die reichste Fußballliga der Welt wird wirklich nach 13 Spieltagen von einem Team angeführt, dessen Yo-Yo vergangene Saison nur dank einer späten Siegesserie nicht wieder Richtung First Division, also Zweite Liga, ausgeschlagen war. Nun steht Leicester am Samstag (18.30 Uhr/Sky) vor dem unwahrscheinlichen Spitzenspiel gegen den Zweiten Manchester United, mit Louis van Gaal und Bastian Schweinsteiger.

Der Trainer stürzte über ein Sexvideo

Diese Entwicklung erstaunt nicht nur Lineker, der im Sommer nach dem Klassenerhalt noch über den Trainerwechsel gelästert hatte: „Claudio Ranieri? Wirklich?“ Der 64-jährige Italiener hat schon halb Europa trainiert, vom FC Chelsea bis zur griechischen Nationalelf, auf der Insel aber gilt er als Loser. Seinem Vorgänger Nigel Pearson, der Leicester vor einem Jahr zurück in die Erste Liga geführt hatte, war ein Sexvideo zum Verhängnis geworden. Drei Spieler, darunter Pearsons Sohn, hatten im Trainingslager in Thailand festgehalten, wie sie eine Prostituierte in Ausübung ihrer Pflichten rassistisch beleidigen. Keine gute Idee, vor allem wenn der Klubeigentümer Thailänder ist. Im Sommer ersetzte sie neues Personal, das hierzulande bekannter war als in England: Shinji Okazaki von Mainz 05, Christian Fuchs von Schalke 04 und Robert Huth von Stoke City. Ex-Nationalspieler Huth kann am Samstag mit seinem 268. Einsatz Dietmar Hamann als deutschen Rekordspieler in der Premier League ablösen.

Stürmer Jamie Vardy spielte mit Fußfessel

Da Leicester sowohl die meisten Tore geschossen als auch kassiert hat, wird aber naturgemäß ein Stürmer gefeiert. Jamie Vardy spielte vor fünf Jahren noch in der achten Liga, nach einer Kneipenschlägerei zeitweise mit Fußfessel. Vardy musste stets vor 18 Uhr ausgewechselt werden, um nicht gegen Bewährungsauflagen zu verstoßen. Nun führt der 28-Jährige die Torjägerliste der Ersten Liga an, hat im Nationalteam debütiert und könnte mit dem elften Tor im elften Spiel in Folge einen neuen Rekord aufstellen. Der FC Chelsea soll bereit sein, im Winter 30 Millionen Euro Ablöse für ihn zu bieten. „Ich kann jeden verstehen, der gehen möchte“, sagt Trainer Ranieri. „Allerdings glaube ich, dass Leicester sich in den nächsten Jahren langsam, langsam an die Spitze kämpfen kann.“

Bisher hat es der Spielplan aber herzlich gut gemeint mit den Spezialisten für Ballgewinne und Konterangriffe. Nur einmal spielte Leicester gegen ein Spitzenteam und kassierte beim 2:5 gegen Arsenal gleich die einzige Niederlage. Doch selbst falls Leicester und Lineker bald aus ihrem Tabellenführertraum erwachen: Gelästert wird über die kleine Großstadt in Mittelengland nicht mehr.

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