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Sport: Sieg mit Aussicht

Während Magath die Euphorie nicht versteht, ortet Bayerns Vorstand ein Signal an Europa und Ballack

„Überragend“, lautete die Vokabel, die Uli Hoeneß angemessen erschien, um das gerade Erlebte zu beschreiben. Überragend habe der FC Bayern gespielt, vor allem in der ersten Halbzeit. Das 2:1 gegen Juventus Turin war ein hochverdienter Sieg, aus Sicht von KarlHeinz Rummenigge gar war es „das beste Spiel in der Champions League, das wir seit dem Finale 2001 gemacht haben“. Damals holten die Bayern den Pokal, und auch wenn eine derartige Belohnung am Dienstagabend ausblieb, beschied der Vorstandschef: „Da muss man auch mal selbst zufrieden sein.“

Aus Sicht des Trainers lag Rummenigge mit dieser Einschätzung ziemlich daneben, und für die euphorisierte Grundstimmung hatte Felix Magath wenig Verständnis. „Wenn ich doch sage: ,Ich bin so gut’, dann kann ich mich doch jetzt nicht feiern lassen, weil ich einen gleichwertigen Gegner schlage – noch dazu zu Hause“, sagte Magath, was so klang, als stehe der Sieg in seiner persönlichen Hitliste in etwa auf einer Stufe mit einem sommerlichen Minigolfspiel gegen seine Gattin. „Das ist für mich kein herausragendes Ereignis, das habe ich erwartet.“ Den staunenden Zuhörern blieb die Erkenntnis, dass ein Mann aus Aschaffenburg kommen musste, um den Münchnern ihr Mia-san-mia-Gefühl zurückzugeben. So ehrliches Selbstbewusstsein hat man lange nicht gehört beim FC Bayern.

Die wortreich formulierte Freude der Bosse hatte eine zweite Ursache, denn die Erwähnung, „dass wir in Europa eine wichtige Rolle spielen können“ (Rummenigge), war wohl auch in Bezug auf die Personalie Michael Ballack zu verstehen. Am Mittwoch verhandelten beide erneut, bis Ende November wolle er sich entschieden haben, stellte Ballack dabei klar. Der Mittelfeldstar, der stets sportliche Gründe für einen möglichen Wechsel anführte, hatte vor dem Spiel geheimnisvoll gesagt: „Mal schauen, ob wir international einen Schritt nach vorn gemacht haben.“

Nach dem Spiel deutet einiges darauf hin, dass Magaths Glaube an Bayerns Europa-Reife begründet ist: Die Leistung war ein recht beeindruckendes Gesamtkunstwerk, das durch Juves „schlechte Tagesform und fehlende Entschlossenheit“, wie Trainer Fabio Capello anmerkte, unzureichend erklärt ist. Tatsächlich spielte Verteidiger Thuram, als habe er den Zeitpunkt für seinen Rücktritt verpasst, seine Nebenleute wirkten ebenfalls ungewohnt unkonzentriert, Ersatztorwart Christian Abbiati verströmte seine Unsicherheit gleichmäßig über die gesamten 90 Minuten. Zugleich aber bewegten sich alle Münchner nahe ihrer aktuellen Leistungsgrenze, zwei stachen dabei heraus: Sebastian Deisler, Torschütze des 1:0, der „viel stabiler als noch vor ein, zwei Wochen“ spielte, so Magath, und Martin Demichelis, der seine unverhofften Freiheiten im Mittelfeld so konsequent nutzte wie ein Schuljunge, der mitten im Jahr auf einmal sechs Wochen Ferien bekommen hat. Insgesamt traten die Münchner mit einer ungeheuren Kompaktheit auf, die Gästetrainer Capello ein ausdrückliches Lob Wert war: „So zählen sie zu den besten Mannschaften in Europa.“ Es klang nicht so, als sage er das aus reiner Höflichkeit.

Bayern Münchens Trainer Felix Magath hatte derweil einiges zu bemängeln: Die Chancenauswertung, die ungeplante Pause, die sich sein Team nach dem Wechsel genehmigt habe; zudem lasse „sich ja nicht wegdiskutieren, dass Juve mit Vieira und Torwart Buffon zwei wichtige Spieler gefehlt haben“.

Gebe es denn etwas, nach so viel Kritik, was ihm besonders gut gefallen habe an seiner Mannschaft, wollte ein Journalist wissen. „Hm“, machte Magath, schaute auf den Boden, grübelte, und es dauerte eine gefühlte Ewigkeit, ehe er einen Monitor entdeckte, auf dem Ausschnitte des Spiels gezeigt wurden. „Die Trikots“, sagte Magath dann mit zufriedenem Lächeln, „die Trikots haben mir gefallen.“

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