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Sport: Silber glänzt wie Gold

Nach ihrem überraschenden zweiten Platz bei der Sprint-WM kann Anni Friesinger zur Rekord-Eisschnellläuferin werden

Eigentlich hat Anni Friesinger bei den Spezialistinnen im Sprint nichts zu suchen. Aber der Termin passte gut in den Wettkampfkalender, deshalb hat sie sich zum ersten Mal in ihrer Karriere entschieden, bei den Weltmeisterschaften im Sprint-Vierkampf mitzulaufen. Friesinger wollte den Favoritinnen ein bisschen „reinpfuschen“, von einer Medaille war vor der Reise nach Nagano nicht die Rede. Ihr Ziel war eine gute Platzierung auf der 1000-Meter-Strecke, die wie die 500-Meter-Strecke je zweimal gelaufen werden musste.

Dass sie in Japan Silber gewonnen hat, ist auch für Friesinger selbst eine große Überraschung. „Das war Wahnsinn. Dieses Silber glänzt für mich fast wie Gold“, sagte die Inzellerin. Dabei wäre sogar die Goldmedaille möglich gewesen. Die 1000-Meter-Weltmeisterin Friesinger war in den beiden Läufen über diese Strecke so klar überlegen, dass sie trotz ihres elften und dreizehnten Rangs über 500 Meter in der Endabrechnung nur 15 Hundertstelsekunden hinter der Siegerin Marianne Timmer landete.

Friesinger ging Arm in Arm mit ihrer Freundin Timmer auf die Ehrenrunde, die als erste Niederländerin überhaupt den WM-Titel im Sprint gewann. „Mit Gold hätte ich mich nicht wohl gefühlt, das hat eindeutig Marianne verdient“, sagte Friesinger. „Mit Anni kann man feiern“, sagte Timmer, die auch von Monique Garbrecht-Enfeldt beglückwünscht wurde. Die Titelverteidigerin konnte nach ihrer dreimonatigen Verletzungspause noch nicht wieder in den Kampf um die Medaillen eingreifen und belegte bei ihrem ersten kompletten Wettkampf in dieser Saison den guten fünften Platz. „Ich weiß jetzt wieder, dass ich es noch kann. Und wie schwer es ist, aus einem dunklen Loch herauszukommen“, sagte Garbrecht-Enfeldt.

Als sich die Spezialistin Garbrecht-Enfeldt vor einer Woche in Nagano schon auf die WM vorbereitete, hatte Anni Friesinger in Heerenveen an ihrem 27. Geburtstag noch ihren Europameistertitel im Mehrkampf verteidigt. Auf dem direkten Weiterflug nach Japan wird die Olympiasiegerin über 1500 Meter wohl nur im Hinterkopf an die Möglichkeit gedacht haben, als erste Eisschnellläuferin überhaupt bei allen vier internationalen Meisterschaften einer Saison eine Medaille um den Hals gehängt zu bekommen. Und damit endgültig zu einer Legende im Eisschnelllauf zu werden. Durch den zweiten Platz bei den Sprintspezialistinnen ist aus der Allrounderin, die ihre Stärken auf den mittleren Distanzen hat, sozusagen eine Allround-Allrounderin geworden. Bei den Mehrkampf-Weltmeisterschaften in Hamar (8./9. Februar), bei denen sie zum dritten Mal den Titel gewinnen kann, wird Friesinger wieder als Favoritin an den Start gehen. Und beim vierten und letzten Saisonhöhepunkt, der Einzelstrecken-WM in Seoul (12. bis 14. März), tritt sie als Titelverteidigerin über 1000, 1500 und 3000 Meter an.

Bei diesen beiden Wettkämpfen wird auch die Reise für ihren Trainer Markus Eicher nicht zu so einem großen Risiko werden wie dieses Mal. Eicher, der auch Bundestrainer für den Mehrkampfbereich ist, war von der Deutschen Eisschnelllauf-Gemeinschaft nicht als Begleiter für die Sprint-WM vorgesehen. Dennoch war der Trainer nach einigen Streitigkeiten vor der WM nach Nagano geflogen, um Friesinger zu betreuen – auf eigene Kosten.

Jetzt kann er aber laut einem Beschluss des Verbandes mit der Erstattung seiner Reisekosten rechnen – weil Friesinger eine Medaille gewonnen hat. „Ich habe versucht, dieses Thema wegzudrücken“, sagte Friesinger. „Man wird durch diesen Knatsch sicher nicht schneller. Aber mit der Medaille ist ja alles bestens gelöst.“ Coach Eicher, der sich für ein gleichzeitig stattfindendes Trainingslager der Mehrkämpfer vertreten lassen musste, wehrte sich gegen den Vorwurf, andere Athleten zu vernachlässigen. „Das stimmt nicht. Bei den Männern in die absolute Spitze vorzustoßen, ist schwieriger als bei den Frauen“, sagte Eicher. „Zudem haben wir zurzeit keine riesigen Talente.“

Das trifft auch auf die männlichen Sprinter zu. Christian Breuer trat wegen Rückenschmerzen am zweiten Tag nicht mehr an, der deutsche Vizemeister Andreas Behr belegte den 28. Rang von 31 Teilnehmern.

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