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Sport: Ski-Langlauf: Tipps aus Wien und Moskau

Pirjo Manninen fühlt sich ziemlich einsam. Nachdem der finnische Skilanglaufkader durch Dopingsperren arg ausgedünnt wurde, hofft die 19-jährige Sprintweltmeisterin, dass sie bei den restlichen Rennen der Saison außerhalb Finnlands vom Publikum nicht gemobbt wird.

Pirjo Manninen fühlt sich ziemlich einsam. Nachdem der finnische Skilanglaufkader durch Dopingsperren arg ausgedünnt wurde, hofft die 19-jährige Sprintweltmeisterin, dass sie bei den restlichen Rennen der Saison außerhalb Finnlands vom Publikum nicht gemobbt wird. Diese Gefahr wird immer größer. Denn der des systematischen Dopings überführte und inzwischen entlassene Cheftrainer Kari-Pekka Kyrö geht nun in die Offensive und berichtet von den Hinweisen, die er aus anderen Ländern zu Doping-Methoden bekam.

In einem Interview mit dem norwegischen "Dagbladet" sprach Kyrö über die Dopingaffäre. Er hatte sofort nach Bekanntwerden der positiven Testergebnisse die volle Verantwortung übernommen, ebenso wie es die betroffenen Sportler getan hatten. Die üblichen Geschichten von unterschobenen Zahnpastatuben oder kontaminierten Nahrungsergänzungsmittel wurden erst gar nicht erzählt, man hatte gedopt, und damit basta. Der "meistgehasste Mann Finnlands" präsentierte sich im Interview gefasst. "Natürlich weiß ich, dass der Langlauf-Sport nun für mich erledigt ist", sagt der 35-Jährige. "Wir waren dumme Amateure" stellt Kyrö rückblickend fest, der Druck und die Erwartungen in Finnland bei der WM im eigenen Land seien einfach zu groß gewesen. Natürlich dürfe man ihn einen Lügner und Doper nennen, nur dagegen, dass allein in seinem Team gedopt worden sei, wehrt er sich vehement.

Nachdem am 17. Februar mit Jari Isometsä ein zweites Mitglied aus dem Kader positiv getestet worden war, habe er, Kyrö, eine Runde durch die Mannschaftsquartiere in Lathi gemacht. "Ich sprach mit vielen ausländischen Kollegen. Viele Mannschaften, so teilten die mir mit, würden mittlerweile mit Human Albumin dopen. Das ist ungefähr dasselbe wie HES, aber man kann es derzeit noch nicht nachweisen, weil es aus dem Eigenblut der Athleten hergestellt wird." Eine halbe Stunde, so Kyrö, habe er gerade mal gebraucht, um das Mittel von den Trainern gleich zweier Nationalmannschaften gezeigt zu bekommen. Von welchen? Dazu wolle er nichts sagen, aber es habe sich um "europäische Teams" gehandelt. Seither ist sich Kyrö darüber im Klaren: "Wir haben dumm gehandelt - und altmodisch." Auf die Idee mit dem HES-Doping war das finnische Team nicht von allein gekommen. Nach der WM in Ramsau im Jahr 1999 war es nach Kyrös Aussage vom internationalen Skiverband FIS darüber informiert worden, dass die meisten Sportler der anderen Mannschaften während der Wettkämpfe die damals noch nicht verbotenen plasmaexpandierenden Mitteln benutzt hätten. "Im selben Jahr begannen dann auch wir, damit zu experimentieren. Nachdem die Mittel aber auf der Dopingliste gestanden hatten, hörten wir damit wieder auf."

Vor der WM in Lahti dann habe der Druck durch die Öffentlichkeit zugenommen. Man wollte Goldmedaillen. In der Mannschaftsleitung sei dann, so Kyrö, beschlossen worden, den sportlichen Leistungen nachzuhelfen, niemand sei jedoch zum Dopen gezwungen worden. Weil man selbst anscheinend nicht auf dem neuesten Doping-Stand war, suchte man Rat von außerhalb. Kyrö und einige Kollegen erkundigten sich bei anderen Experten, ob HES mittlerweile bei Tests nachweisbar sei. Die klare Antwort, die sie daraufhin "von verschiedenen nationalen und internationalen Quellen" erhielten, lautete "Nein!" Von wem die falsche Information stammte, wollte der Ex-Trainer zunächst nicht sagen. In "Dagbladet" präzisierte er jetzt: "Wir haben in Helsinki, Moskau und Wien nachgefragt". Was aus damaliger Sicht Sinn gemacht hätte, denn die russischen und österreichischen Läufer hatten in Ramsau noch große Erfolge gefeiert.

Bei dieser WM allerdings rangierten sie weit hinten, was in skandinavischen Medien zu ausgedehnten Spekulationen führte. Dass HES doch nachweisbar war, stellte der ehemalige Leistungssportler erst während der Weltmeisterschaften fest, "als Janne Immonen erwischt wurde. Da wurde mir klar, dass ich nun alles aufdecken muss".

Natürlich ist Doping kein alleiniges finnisches Problem. Der norwegische Experte Inggard Lereim, stellvertretender Vorsitzender des medizinischen Komitees der FIS, erklärte: "Die Doping-Tragödie um das finnische Langlaufteam hat dazu geführt, dass wir tatsächlich überlegen müssen, ob wir in Zukunft nicht alle Starter in allen Konkurrenzen testen müssen". Der Aufwand sei zwar riesengroß, trotzdem werde man das Thema auf der nächsten Sitzung ansprechen müssen. Lereim, der aufgrund der aktuellen Ereignisse seine Reise nach Salt Lake City abgesagt hatte, deutete an, dass man sich gerade mit der Entwicklung weiterer Tests beschäftige. "Es ist viel Spannendes im Gang", sagte er, ohne auf Einzelheiten einzugehen. Unter anderem wurden von einem Forscher mit Erlaubnis der FIS zu Forschungszwecken Blutproben genommen, 12 bis 15 pro Wettbewerb "insgesamt 200. Diese sollen nun zur Analyse nach Paris, wo bereits die Urinproben lagern, die von der FIS nach jedem Wettbewerb abgenommen wurden." Dass andere Nationen Finnland nun verdammen, gefällt Lereim gar nicht. Wahrscheinlich, weil er weiß, dass die Sportler aus Suomi nur das Pech hatten, erwischt zu werden.

Elke Wittich

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