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Sport: Skispringen: Wir sollten schwerer werden

Hans-Georg Aschenbach (49) gewann alles, was es im Skispringen zu gewinnen gibt: Olympische Spiele 1976 auf Normalschanze, Weltmeisterschaft 1973 im Skifliegen, Weltmeistertitel 1974 auf beiden Schanzen, sowie die Vierschanzentournee 1974. Der ehemalige Hauptmann der Nationalen Volksarmee blieb 1988 im Westen.

Hans-Georg Aschenbach (49) gewann alles, was es im Skispringen zu gewinnen gibt: Olympische Spiele 1976 auf Normalschanze, Weltmeisterschaft 1973 im Skifliegen, Weltmeistertitel 1974 auf beiden Schanzen, sowie die Vierschanzentournee 1974. Der ehemalige Hauptmann der Nationalen Volksarmee blieb 1988 im Westen. Heute arbeitet er in der Nähe von Freiburg als Arzt.

Martin Schmitt soll an seinem Geburtstag 180 Liebesbriefe bekommen haben. Wie viele haben Sie in Ihrer Karriere bekommen?

Unter den Autogrammwünschen waren sicherlich auch ein paar Liebeserklärungen dabei. Aber einen Heiratsantrag wie Martin Schmitt habe ich keinen gekriegt.

Sieht Martin Schmitt vielleicht einfach besser aus als Sie?

Ja. Zumindest haben die sozialistische Mode und Haarfrisur uns nicht ermöglicht, in besserem Licht zu stehen. Aber ich kenne den Martin, er sieht auch mal nicht so gut aus.

Soll das heißen, bei Martin Schmitts Aussehen wird nachgeholfen?

Zumindest bei Werbeaufnahmen oder Autogrammfotos. Da wird schon mit allen Möglichkeiten gearbeitet. So was gab es zu meiner Zeit nicht. Wenn wir mal im Fernsehen waren, kam ein bisschen Schminke drüber. Heute ist das ja echtes Styling geworden.

Auch finanziell hat sich im Skispringen einiges verändert. Der Gewinner der Vierschanzentournee bekommt einen Audi TT. Welches Auto fuhren Sie früher?

Ich habe mir mühsam einen Trabant 500 Deluxe erspart. Mit Chromleiste (lacht)! Aber es gab in der DDR ein Prämiensystem, das nur bei absoluten Höhepunkten galt. Von meiner Prämie 1974 als Doppelweltmeister durfte ich mir eine Wartburg-Limousine aussuchen. Damals das stolzeste Auto meines Lebens. Da hing so viel Liebe dran und Wartezeit, das kann man heute nicht mehr nachvollziehen.

Ihr persönlicher Audi TT sozusagen?

Mir wäre ein Wartburg-Cabrio lieber gewesen. Aber damals hatte ich schon zwei Kinder, also sollte es auch ein bisschen eine Familienkutsche sein. Für mich war das Auto aber genauso toll wie heute ein Audi TT für den Sieger der Vierschanzentournee.

Ärgert es Sie nicht, dass Sie heute mit Skispringen viel mehr Geld verdienen könnten?

Es hat Sekunden gegeben, in denen ich so gedacht habe. Aber ich würde bei den Anforderungen, die das Skispringen heute stellt, nicht die Erfolge haben wie zu meiner Zeit.

Welche Anforderungen sind neu?

Zunächst einmal die Gewichtsfrage. Die Skispringer sind leichter als zu meiner Zeit. Heute geht man ja davon aus, dass ein idealer Springer 20 Kilogramm unter Körpergröße haben sollte. Ich bin 1,75 Meter groß, hätte also 55 Kilo haben müssen.

Wie viele Kilo hatten Sie tatsächlich?

69 bis 72 Kilo. Heute würde ich nicht als Skispringer benutzt werden, sondern als Steinschleuder. Es gab sogar wissenschaftliche Bestrebungen, uns schwerer zu machen. Es herrschte die irrige Vorstellung: Masse mal Beschleunigung ist gleich Geschwindigkeit am Schanzentisch. Es hat sich aber in den Jahren danach herausgestellt, dass es mehr die Aerodynamik als das Körpergewicht ist.

Ist Magersucht bei Skispringern nicht auch eine Folge der Kommerzialisierung? Man hungert, weil Geld und Ruhm winken?

Es stimmt schon, dass die Entwicklung heute in Richtung Magersucht geht. Das ist aber keine aktuelle Geschichte. Es war zu allen Zeiten so, dass keine Rücksicht auf Körper und Geist genommen wurde. In den Jahren, in denen ich aktiv war, gab es Doping. Da haben die Athleten alle mitgezogen - zumindest die, die volljährig waren.

Sie haben ja letztes Jahr als ARD-Experte den ganzen Zirkus miterlebt...

Ja, Zirkus ist das richtige Wort (lacht).

gibt es einen Punkt, bei dem Sie dem Skispringen ihrer Tage nachtrauern?

Vielleicht bei der Gemütlichkeit oder der Freude am Sport. Aber als Sportler, der in der sozialistischen Gesellschaft aktiv war, war ich immer irgendwelchen Zwängen unterworfen. Das ist heute alles besser.

Sie wurden auch für Ihren Sprung ohne Skier berühmt.

Das war bei Jugend-Spartakiade 1968. Ich hatte vergessen, die Bindung zu schließen. Beim Wegspringen habe ich dann beide Skier verloren. Bei 42 Metern bin ich in den Hang gesprungen und auf den Füßen stehend heruntergerutscht. Das Kuriose ist: In keinem Regelwerk steht, dass der Springer mit beiden Skiern ankommen muss. Eigentlich zählt mein Sprung heute noch als Weltrekord im Skispringen ohne Skier.

Vielleicht bricht Martin Schmitt diesen Rekord auch noch?

Nein. Aus der heutigen Vorlage kommt man nicht mehr zurück. Heute liegen die Athleten fast gestreckt über dem Ski. Martin Schmitt hätte keine Chance. Er würde glatt abstürzen.

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