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Sport: Slawo oder Paul, ist das wichtig?

Der deutsche Nationalspieler Freier über polnische Namen und holländische Geschichten

Herr Freier, auf welchen Vornamen hören Sie eigentlich, auf Paul oder Slawomir?

Slawo ist mir am liebsten. Aber warum ist Ihnen das so wichtig?

Von Ihren Mitspielern beim VfL Bochum werden Sie Slawo gerufen. Rudi Völler aber, der Teamchef der Nationalmannschaft, spricht immer von Paul Freier.

In Polen wurde ich auf Slawomir getauft. Pawel, also Paul, war mein zweiter Rufname. Da es für Slawomir keine deutsche Übersetzung gibt, ließen meine Eltern Paul in meinen deutschen Pass eintragen.

Weil Sie damals, 1991, noch zu jung waren, um das zu entscheiden…

Genau, ich war elf Jahre alt, als meine Eltern, mein Bruder und ich nach Deutschland kamen.

Sie wurden sehr schnell deutscher Staatsbürger und mussten den polnischen Pass abgeben. Fiel Ihnen diese Entscheidung leicht?

Wir wussten bald, dass wir für immer in Deutschland bleiben wollten. Mein Vater, der damals für Kattowice in der ersten polnischen Liga Fußball spielte, fand eine Anstellung in einer Papierfabrik, wo sie Toilettenpapier und Taschentücher herstellen. Und meine Mutter fand in Deutschland eine Anstellung als Reinigungskraft.

Das war der Anfang, vor elf Jahren im sauerländischen Menden…

Das machen meine Eltern noch heute. Meine Mutter geht jeden Tag in eine Schule und macht dort sauber. Aber wieso fragen Sie?

Nun, Sie sind deutscher Fußballnationalspieler und verdienen Millionen.

Moment, das eine hat mit dem anderen nichts zu tun. Klar, ich unterstütze meine Eltern, wo ich kann. Sie haben damals mir diesen Weg ermöglicht. Heute versuche ich, ihnen etwas zurückzugeben. Aber sie haben sich nie beklagt. Und ich habe mich nicht verändert. Wenn ich heute zu meinen Eltern fahre, ist da alles noch so wie früher. Aus diesen gesunden Verhältnissen in meiner Familie ziehe ich meine Stärke.

Sie mussten schon als Kind lernen, sich durchzusetzen – etwa in der Schule. Jetzt sind Sie in der Nationalmannschaft. Ist das dort anders?

Als wir damals nach Deutschland kamen – ich war in der fünften Klasse –, sprach ich kein Wort Deutsch. Aber ich konnte ein bisschen besser Fußball spielen als die anderen Kinder. Der Fußball hat mir geholfen, Freunde zu finden. Und Anerkennung. Im Prinzip ist das in der Nationalelf nicht anders.

Das müssen Sie uns erklären.

Sehen Sie, als ich in diesem Jahr das erste Mal zur Nationalmannschaft kam, konnte ich doch nicht zum Oliver Kahn gehen und sagen: Grüß dich, Olli! Alles klar?

Warum nicht?

Hey, Oliver Kahn ist eine absolute Autorität, den duzt man nicht einfach so. Schon gar nicht ich als junger Spieler, der von einem BundesligaAufsteiger kommt. Ich habe mich an jüngere Spieler gehalten, die ich aus der U 21 kannte. Den Großen musste ich erst beweisen, was ich auf dem Platz kann.

Eine Art nonverbale Kommunikation?

Genau. Und so, wie mir das in der Schule gelang, gelingt mir das auch hoffentlich jetzt. Irgendwann kam der Olli im Massageraum auf mich zu und fragte, wie es mir geht. Mein Gott, war ich stolz, dass er sich ein bisschen für mich interessiert. Heute duzen wir uns. Ich glaube, ich bin anerkannt.

Befürchten Sie nicht, dass Ihnen einmal auf dem Weg zu einem richtigen Star Ihre Herkunft im Weg stehen könnte?

Ich hoffe, dass die Menschen nicht so sehr darauf gucken. Ein Mensch ist doch ein Mensch. Ist das zu naiv?

Es könnte ja sein, dass Ihr Berater auf Sie zukommt und sagt: Wir sollten den Slawo mal vergessen. Ab jetzt heißt du nur noch Paul.

Ich würde mich nie verkaufen lassen. Mein zweijähriges Kind wächst mit der deutschen Sprache auf. Wenn es vier oder fünf ist und sich dafür interessiert, woher sein Vater kommt, werden wir eine zweite Sprache hinzunehmen. Ich werde immer wissen, wo ich herkomme, aber ich weiß auch, dass ich mich als Deutscher fühle.

Träumen Sie in Deutsch?

Das ist wirklich so. Vielleicht liegt es daran, dass ich den ganzen Tag Deutsch spreche.

Dann dürften Sie auch mitbekommen haben, dass das Spiel zwischen Deutschland und Holland ein nicht ganz gewöhnliches ist?

Oh ja. Ich kenne die Geschichten. Ich kann mich sehr gut an die WM 1990 erinnern, vor allem an die Szene, als Frank Rijkaard Rudi Völler bespuckte.

Erwähnte das Rudi Völler noch einmal in einer Mannschaftsbesprechung?

Nein, das musste er nun wirklich nicht.

Das Gespräch führte Michael Rosentritt.

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