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Sport: „So etwas habe ich noch nie gesehen“

Rekord-Olympiasiegerin Birgit Fischer über Peking 2008, ihre Erfahrungen in China, desinteressierte deutsche Talente und Doping

Frau Fischer, Sie haben in den vergangenen Wochen hier in China trainiert. Kann man das als Hinweis darauf deuten, dass Sie noch einmal bei den Olympischen Spielen in Peking starten wollen? Sie wären dann immerhin schon 46 Jahre alt.

Ich habe hier gut trainiert und bin wieder ganz gut in Schuss. Am Wochenende haben wir unsere ersten nationalen Sichtungsrennen in Duisburg. Ob ich da an den Start gehen werde, weiß ich aber noch nicht. Peking bleibt weiter eine schöne Vision, aber es muss sich bis zum Ende des Jahres langsam zu einem Ziel formen. Denn ich werde wohl eineinhalb Jahre brauchen, um mich darauf vorzubereiten. Es würde dann aber wohl der letzte große Höhepunkt meiner Karriere sein.

Konnten Sie beim Training noch mit den jungen Chinesinnen mithalten?

Es war sehr hart. Die chinesischen Kanutinnen sind wirklich gut drauf. Eine ganze Reihe werden sicherlich in Peking dabei sein, insofern hatte ich gute Trainingspartnerinnen. Sie haben schon ein paar Probleme mit der Paddeltechnik, das ist aber auch das Einzige. Im Training könnten sie mit den Deutschen gut mithalten – wie das dann im Rennen aussieht, kann ich nicht beurteilen. Ich rechne aber damit, dass die chinesischen Frauen in Peking eine sehr, sehr ernst zu nehmende Konkurrenz sein werden. Dafür wird Josef Capousek schon sorgen.

Capousek war als Kanu-Bundestrainer der erfolgreichste deutsche Coach seit der Wiedervereinigung. Seit einem Jahr trainiert er nun die chinesischen Kanuten.

Das ist ein großer Verlust. Aber Josef hat in Deutschland alles erreicht und hier eine neue Herausforderung angenommen. Die chinesischen Kanuten trainieren nun mit einem deutschem Trainer nach deutschen Trainingsplänen und Erkenntnissen. Erkenntnisse, die wir über Jahrzehnte gesammelt und uns hart mit Wissenschaft und Technik erarbeitet haben. Es würde mich wundern, wenn die Chinesen 2008 nicht vorne mitmischen.

Das klingt ein wenig verbittert.

Man hat in Deutschland nicht zum ersten Mal einen guten Trainer ziehen lassen. Es sind sehr viele gute Trainer mit Know- how in andere Länder gegangen, auch nach China. Das ist ein Manko in Deutschland, dass man solche guten Leute viel zu leicht gehen lässt. Man macht ihnen keine neuen Angebote mehr oder motiviert sie vielleicht auch nicht richtig. Immerhin gibt es ja jetzt die „Traineroffensive“, die den Trainerberuf mehr ins rechte Licht rücken soll. Das war in der Vergangenheit nicht so und dementsprechend sahen auch Bezahlung und Prämien aus. Vielleicht kann die Offensive irgendwann die Abwanderung guter Trainer aus Deutschland stoppen. Natürlich nur, wenn auch mal umgesetzt wird, was auf dem Papier steht.

Das wäre doch auch was für Sie, mit Ihrer Erfahrung und Ihrem Einblick in andere Länder und andere Trainingsmethoden.

In letzter Zeit reise ich wirklich ziemlich viel. Ich war in den USA, in Australien, in Südafrika und jetzt in China. Mir ist aufgefallen, dass dort das Wissen von ausländischen Athleten sehr gefragt ist. Man hört ihnen zu, schaut genau hin, fragt und macht nach. Hier in China sieht man in mir das große Vorbild, von dem man lernen möchte.

In Deutschland ist das nicht so?

Viele Jugendliche in Deutschland sind oft nicht neugierig genug und schauen zu wenig über den Tellerrand. Das ist im Ausland anders, und deswegen macht mir das Training mit Sportlern anderer Nationen großen Spaß. Ich selbst habe Trainererfahrung in Deutschland. Ich war zwei Jahre Bundestrainerin für den Nachwuchs. Ich habe den Vertrag nicht verlängert, weil es zu diesem Zeitpunkt nicht das richtige Umfeld für mich war.

Kommt Ihnen das Umfeld in China eher entgegen?

Der Sport wird hier sehr groß geschrieben. Es wird viel Geld hineingesteckt, auch wenn es vielleicht nur temporär für Olympia ist. Die Spiele 2008 machen vieles möglich. Ich habe auch noch nie so riesengroße Krafträume mit so vielen Geräten gesehen, in meinem ganzen Leben noch nicht.

Sie sprechen von dem hochmodernen, riesigen Wassersportzentrum in der Nähe von Schanghai, in dem Sie trainiert haben.

Ich denke, bessere Sportmöglichkeiten gibt es nicht. Es ist alles da, was man für ein gutes Training benötigt. Sicher gibt es vergleichbare Sportstätten in Deutschland, aber beeindruckend sind die Größe der Anlagen und die vielen Einzelanlagen für eine Sportart. Wo sonst findet man schon drei Schwimmhallen an einer Stelle und zwei Regattastrecken nebeneinander? Ich glaube, so etwas gibt es auf der Welt nicht wieder.

Ist das nicht ein wenig überdimensioniert?

Aufgrund der Bevölkerungsmasse gibt es natürlich auch mehr Sportler. Es ist gewaltig, wie viele Sportler hier täglich trainieren – da braucht man diesen Platz auch. Ich finde das fantastisch, was jetzt in China für den Sport getan wird. Ich habe das Gefühl, man will um jeden Preis, dass Peking ein absoluter Erfolg wird. China wird im Sport auf jeden Fall einen großen Schritt nach vorne machen.

Sie haben gesagt: um jeden Preis. Haben Sie mitbekommen, dass bei den Chinesen während des Trainings Dopingkontrollen durchgeführt wurden?

In der Zeit, in der ich hier war, habe ich keine Kontrollen gesehen. Ich habe mich aber erkundigt und mir wurde gesagt, dass Trainingskontrollen stattgefunden haben. Wenn ich sage, die Chinesen versuchen auf jeden Fall vorne zu sein, dann denke ich dabei nicht an Doping. Ich meine, dass sie ihren vollen körperlichen Einsatz bringen, dass sie sehr fleißig trainieren und dass die Funktionäre alles für den Erfolg tun – auch, indem sie gute Trainer im Ausland einkaufen. Das Thema Doping ist ein Problem im gesamten Weltsport und nicht das einzelner Nationen.

Allerdings gilt gerade China als Hochburg des Dopings.

Solange es Leistungssport gibt, wird es auch Doping geben. Wenn man zurückschaut, waren es nicht die Chinesen, die häufig des Dopings überführt wurden, sondern Sportler vieler anderer Nationen. Einen Generalverdacht über die Chinesen zu verhängen, wäre völlig falsch.

Ein anderer Vorwurf, dem sich der Olympiagastgeber ausgesetzt sieht, ist der, dass er die Menschenrechte missachtet. Wie haben Sie das erlebt?

Ich war nur drei Wochen in China. Das ist zu kurz, um mich dazu wirklich äußern zu können.

Das Gespräch führte Frank Hollmann.

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