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Sport: Sommermärchen reloaded

Die WM in Südafrika beginnt für die Deutschen mit einem Hauch von 2006: Podolski und Klose treffen schon vor der Pause gegen Australien, das Team gewinnt nach einem starken Spiel 4:0

Die Sprache des Fußballs besitzt traditionell einen Hang zum Martialischen, davor ist auch ein Feingeist wie Joachim Löw nicht gefeit. Kurz vor dem WM-Auftakt der deutschen Fußball-Nationalmannschaft hatte der Bundestrainer die Prognose getroffen, dass Lukas Podolski bei diesem Turnier explodieren werde. Mal abgesehen davon, dass man sich das bildlich lieber nicht vorstellen möchte, Löws Prophezeiung hat im Land eine gewisse Skepsis hervorgerufen – bis zur achten Minute gestern im Gruppenspiel gegen Australien. Da fand ein Zuspiel durch den australischen Strafraum den linken Fuß von Lukas Podolski, und weil dessen linker Fuß eine Waffe ist, kam, was kommen musste. Die Wucht seines Schusses riss Mark Schwarzer im australischen Tor zu Boden, während der Ball beinahe umgebremst zum 1:0 ins Netz rauschte. Es war der Beginn eines erfolgreichen Starts der Nationalmannschaft in die Weltmeisterschaft. 4:0 (2:0) hieß es nach einem berauschenden Auftritt für das Team von Joachim Löw. Nur zweimal gewannen die Deutschen zum WM-Auftakt noch deutlicher. Das war 2002, beim 8:0 gegen Saudi-Arabien, und 1966 noch mit Uwe Seeler und Franz Beckenbauer bei einem 5:0 gegen die Schweiz.

Die Darbietung der Deutschen war die bisher beeindruckendste des Turniers, dabei standen in der Anfangself fünf Spieler, die in Durban ihr WM-Debüt gaben – allerdings auch fünf Spieler, die vor drei Wochen mit dem FC Bayern im Finale der Champions League gestanden hatten. Die letzte freie Planstelle in Löws Startelf ging ebenfalls an einen Münchner. Thomas Müller hatte im rechten Mittelfeld den Vorzug vor Piotr Trochowski erhalten. „Es war eine knappe Entscheidung gegen Piotr Trochowski“, sagte Löws Assistent Hans-Dieter Flick. Und es war eine ausgesprochen gute. Müller machte ein starkes Spiel, nicht nur weil er das erste WM-Tor der Deutschen in Südafrika vorbereitete. Nach einem Vertikalpass von Mesut Özil legte er den Ball quer durch den australischen Strafraum auf Podolski zurück. Der Rest war für den Kölner Formsache.

Besser hätte das Turnier für die Deutschen kaum anfangen können. Insgeheim hatte sich das Team und sein Trainer Löw auf einen dumpfen Abnutzungskampf eingestellt, doch die Mannschaft wählte gegen die vermeintlich defensivstarken Australier von Anfang an die richtigen Mittel. Mit schnellen Pässen in die Spitze hebelten sie die erstaunlich labile Abwehr ihres Gegners immer wieder aus. Löw hatte solche Spielzüge in der Vorbereitung fast bis zur Besinnungslosigkeit üben lassen. Mit erfreulichem Lernerfolg, wie sich gestern Abend zeigte.

Allein die Chancenverwertung ließ ein wenig zu wünschen übrig. Erst verpasste Podolski eine Hereingabe von Thomas Müller denkbar knapp; nur eine Minute später kam das flache Zuspiel von der anderen, der linken Seite. Miroslav Klose erwischte den Pass von Podolski zwar, er traf den Ball aber nicht richtig und lenkte ihn am Tor vorbei. Doch noch ehe der Stürmer der Bayern sich schweren Gedanken hingeben konnte, ob seine Formkrise denn gar nicht mehr vorübergehen wolle, fand auch diese Geschichte ein erfreuliches Ende. Nur drei Minuten nach der verpassten Gelegenheit, sich alle Mühsal von der Seele zu schießen, schickte der neue Kapitän Philipp Lahm eine Flanke aus dem Halbfeld in Australiens Strafraum, Klose kam mit dem Kopf vor Schwarzer an den Ball und traf zum 2:0.

Löws Mannschaft hat in den vergangenen Wochen ein ganz neues Gesicht gekommen, gestern Abend aber frischte das Team 2010 die Erinnerungen an das Sommermärchen aus dem Jahr 2006 noch einmal auf. Dass Klose und Podolski treffen, kennt man von der WM im eigenen Land. Für Klose, der in dieser Saison bei den Bayern seinen Stammplatz verloren und nur drei Bundesligatore erzielt hatte, war es bereits der elfte WM-Treffer. Er zog dadurch mit Jürgen Klinsmann gleich und hat jetzt nur noch Gerd Müller (13) vor sich.

Die deutsche Mannschaft geriet gegen die biederen Australier nie in Bedrängnis, lediglich zu Beginn beider Halbzeiten wirkten sie kurzzeitig etwas unkonzentriert. Und auch ihr großzügiger Umgang mit aussichtsreichen Torgelegenheiten hatte an diesem Abend gegen diesen Gegner keine unerfreulichen Konsequenzen. Die Deutschen bekamen ja immer wieder neue, erst recht nachdem Tim Cahill für ein Foul an Bastian Schweinsteiger mit Rot des Feldes verwiesen worden war. Miroslav Klose hatte gerade seine dritte gute Chance verdaddelt, da traf Müller nach einer guten Vorarbeit von Lukas Podolski mit einem präzisen Schuss von der Strafraumgrenze zum 3:0.

Unmittelbar danach nahm Löw Klose vom Feld, vermutlich um ihm etwas Schonung angedeihen zu lassen. Für den Münchner kam der frühere Brasilianer Cacau. Der Stuttgarter war nicht einmal zwei Minuten auf dem Platz, da erhöhte er zum 4:0. Und weil an diesem Abend offensichtlich alles funktionierte, versuchte sich Joachim Löw sogar am Unmöglichen. Der Bundestrainer wechselte Mario Gomez ein, vermutlich sollte der sich auch noch ein bisschen Selbstbewusstsein erspielen. Aber es kann ja nicht alles klappen.

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