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Der Weltmeister am Boden. Der Slowake Robert Vittek (hier nach dem 2:0) zeichnete mit seinen zwei Treffern hauptverantwortlich für Italiens Aus. Foto: dpa

© dpa

Sport: Spätrömische Dekadenz

Nach Frankreich scheidet auch der Weltmeister schon in der Vorrunde aus: Die Italiener unterliegen der Slowakei 2:3, bleiben auch im dritten Spiel ohne Sieg und beenden ihre Gruppe als Tabellenletzter

Wenigstens ein Italiener glaubte vorher fest an das Weiterkommen der „Squadra Azzura“. Umberto Bossi, Chef der radikalen Partei Lega Nord, hatte vor dem Anpfiff erklärt, dass Italien das Spiel gekauft habe. Die Zitierfähigkeit einer solch dummdreisten Unterstellung vor dem Alles-Oder-Nichts-Spiel gegen die Slowakei ist einem Rechtspopulisten wie Bossi freilich bekannt. Zumindest daheim erzeugte er damit ein mächtiges Rauschen im Blätterwald – und machte dem Team gewissermaßen im Vorbeigehen den erhofften Sieg aus eigener Kraft madig. Für den Fall, dass irgendwo Geld geflossen sein sollte, war es schlecht angelegtes Geld. Die Italiener verloren 2:3 (0:1) gegen die Slowakei und verabschiedeten sich damit ohne Sieg schon nach der Gruppenphase aus dem Turnier – als amtierender Weltmeister. Zuletzt war das 2002 den Franzosen passiert.

Der Spielverlauf an diesem milden Nachmittag im Johannesburger Ellis-Park ließ nachhaltig Zweifel daran aufkommen, ob das Team von Marcello Lippi überhaupt das Achtelfinale zu erreichen gedachte. Die Italiener verlegten sich mit einer unerwarteten Form von Arroganz auf reine Spielkontrolle. Von der großspurigen Ankündigung des Trainers war nichts zu erkennen. Der hatte nach dem blamablen 1:1 gegen Neuseeland erklärt: „Seien sie nicht überrascht, wenn dieses Team plötzlich hervorragenden Fußball spielt und ins Rollen kommt.“ Um diesen Effekt zu erzeugen hatte er seine Startelf auf Schlüsselpositionen umgebaut und zwei Größen aus dem WM-Kader von 2006 zurück ins Team beordert: Statt Claudio Marchisio sollte Routinier Gennaro Gattuso dem defensiven Mittelfeld mehr Stabilität verleihen. Für den enttäuschenden Alberto Gilardino lief Antonio Di Natale auf der linken Seite der italienischen Offensive auf.

Ins Rollen kamen allerdings nur das slowakische Team, das von Trainer Vladimir Weiss auf drei Positionen umgebaut worden war. Entsprechend fahrig begann die Partie. Nervosität auf beiden Seiten. Die Ereignisarmut kommentierten die 53 413 Zuschauer bereits nach einer Viertelstunde mit der Welle auf den Rängen. Es tat sich einfach nichts. Aus dieser Lethargie befreite nach 24 Minuten der frühere Nürnberger Robert Vittek den Ellis Park. Einen Fehlpass von Daniele De Rossi nahm Jurai Kucka auf, der spielte steil auf Vittek, der frei vor Keeper Federico Marchetti noch einschieben musste.

Die Italiener rückten dennoch nur sehr langsam von ihrem System der defensiven Spielkontrolle ab. Keinem ihrer Spieler gelang es, in dieser brenzligen Situation mit einer zündenden Idee dem Spiel eine Wendung zu geben. Im Gegenteil: Die slowakische Mannschaft kam zu weiteren Möglichkeiten. Auf der Videotafel im Stadion erschien immer wieder das versteinerte Antlitz von Gianluca Buffon, dem verletzten Stammtorhüter, der zusehends an Edvard Munchs Gemälde „Der Schrei“ erinnerte und damit der italienischen Misere unfreiwillig ein Gesicht gab.

In der zweiten Hälfte kam mit Andrea Pirlo ein weiterer Oldie aus der WM-Elf von 2006 ins Spiel, was die Offensivbemühungen der Italiener zumindest intensivierte. Doch die Slowakei blieb mit Kontern stets gefährlich. In der 72. Minute war es erneut Vittek, der eine Flanke von Kapitän Marek Hamsik zum 2:0 verwandelte. In der Schlussphase aber überschlugen sich die Ereignisse. Di Natale gelang in der 81. Minute der Anschluss. Der eingewechselte Fabio Quagliarella glich zwei Minuten später aus. Scheinbar. Sein Treffer wurde wegen einer Abseitsstellung nicht anerkannt. Eine knifflige Entscheidung.

Stattdessen erhöhte der gerade erst eingewechselte Kamil Kopunek in der 89. Minute auf 3:1, aber es blieb spannend, weil Quagliarella ein weiteres Mal den Anschlusstreffer erzielte. Die Italiener drückten und drängten, aber auch 6:25 Minuten Nachspielzeit reichten nicht mehr. Es blieb beim 2:3.

Nach Frankreich verabschiedet sich mit dem Titelverteidiger ein weiteres Team aus dem Kreis der Favoriten aus dem Turnier. Drei indiskutable Vorrundenspiele waren zu wenig fürs Weiterkommen. Das einzig Positive: Die längst überfällige Verjüngung der italienischen Mannschaft – die eigentlich schon vor der WM hätte eingeleitet werden müssen – kann endlich beginnen.

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