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Sprachschwierigkeiten zur EM: Wenn der ''Goalie'' die ''Wuchtl'' hält

Wenn deutsche Fans während der Fußball-Europameisterschaft in Österreich mit Einheimischen fachsimpeln wollen, wird es schnell verständnislose Gesichter geben. Denn die Deutschen können genauso wenig mit einer "Wuchtl" oder einem "Gurkerl" anfangen wie die Österreicher mit einer "Pille" oder einem "Beinschuss".

"Der Österreicher unterscheidet sich vom Deutschen durch die gemeinsame Sprache", zitiert der Sprachexperte Robert Sedlaczek den Wiener Kabarettisten Karl Farkas. Dies habe auch für die Fußballsprache Gültigkeit. Ähnliche Verständigungsschwierigkeiten werden mit den Nachbarn aus der Schweiz erwartet.

Verirren sich deutsche Zuschauer beispielsweise zu den Übertragungen des österreichischen und schweizerischen Fernsehens, tönt ihnen Fremdes entgegen. "Im Bereich der Fußballsprache ist das Schweizerdeutsche noch stark vom ursprünglichen, englischen Fachwortschatz geprägt", sagt Martin Graf vom Schweizerdeutschen Wörterbuch in Zürich.

Das bestätigt Sedlaczek für Österreich. Als der Fußball vor mehr als 100 Jahren aus England in den deutschsprachigen Raum kam, waren Österreich und die Schweiz Vielvölkerstaaten. „Eine Sprachpolitik, die auf strikte Eindeutschung hinausläuft, hätte zu zusätzlichen Konfrontationen zwischen den Nationalitäten geführt", erklärt Sedlaczek. Deshalb wird in beiden Ländern noch heute statt einer "Ecke" ein "Corner" geschossen, das Tor hütet ein "Goalie" und einen "Strafstoß" kündigt der Kommentator als "Penalty" an.

L-Einschübe verfeinern die Fußballsprache

Auf der Ebene der Mundart wird es für Deutsche dann noch komplizierter. Für Sätze wie "Den Boin fang i mit'n Kappl ausse" als Torwartbeschimpfung oder die Bezeichnung "Agraselkicker" (Stachelbeerspieler) braucht man schon einen Dolmetscher. "Seit jeher haben die Fußballer und die Fußballfans ein großes Bedürfnis gehabt, die Fußballsprache mit Ausdrücken ihrer Umgangssprache oder ihres Dialektes zu verfeinern", sagt Sedlaczek. Besonders beliebt sind in Österreich die sogenannten L-Einschübe: Spieler lassen den Ball "abtröpfeln" (mit der Brust stoppen und dem Fuß weiterspielen), "köpfeln" ihn ins Tor oder punkten mit einem "Schupferl" (Heber).

Einen Heimvorteil genießen da die Fußballfans im Süden Deutschlands. Die Bayern und die Österreicher haben aus Expertensicht gemeinsame Sprachwurzeln und verstehen deshalb ihre Dialekte besser. Begriffe wie "Erdäpfel" für Kartoffeln und "Schwammerl" für Pilze sind beispielsweise in München genauso gebräuchlich wie in Wien. Die Menschen aus Baden-Württemberg rücken sprachgeschichtlich mit den Schweizern zusammen, denn viele ihrer Dialekte zählen ebenso wie das umgangssprachliche "Schwyzerdütsch" zu den alemannischen Mundarten. "Der Süden, aber besonders der Südwesten Deutschlands, ist relativ nah am Alemannischen in der Schweiz", sagt Graf.

Hilfe gibt es im Internet

Schlachtenbummler aus dem Rest der Bundesrepublik sollten sich jedoch nicht gleich geschlagen geben, sondern das Internet um Hilfe bitten. Um etwa im Austragungsort Bern verbale Fehlpässe zu vermeiden, trainieren EM-Besucher am besten mit dem Wörterbuch die wichtigsten Vokabeln des "Bärndütsch". Die Firma Henkel CEE macht Fußball-Touristen auf ihrer Website sprachlich fit für Österreich. Von der Begrüßung über den Stadionbesuch bis zum Flirten sind auf "Weanerisch", Deutsch und Englisch alle möglichen Situationen beschrieben.

Miriam Bandar, Friederike Albrecht[dpa]

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