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Sport: Spritzen bei Nacht

Ein Dopingskandal erschüttert Australien

Weniger als acht Wochen vor den Olympischen Spielen erschüttert ein spektakulärer Dopingskandal Australiens Sport. Bahnradsprinter Mark French hat bereits eine zweijährige Sperre sowie einen lebenslangen Olympiabann erhalten, der 19 Jahre alte viermalige Junioren-Weltmeister hat auch noch mindestens fünf Mannschaftskameraden beschuldigt, ebenfalls zu unerlaubten Mitteln gegriffen zu haben. Der Skandal ist mittlerweile zu einem Politikum geworden, weil der Regierung vorgeworfen wird, zu spät reagiert zu haben. Sportminister David Kemp hat eine Untersuchung durch einen ehemaligen ranghohen Richter in die Wege geleitet – aber erst, nachdem die Opposition im Parlament den Skandal publik gemacht hatte.

Frenchs Aussagen haben eine Schauerbild von Australiens überaus erfolgreicher Kaderschmiede der Radfahrer in Adelaide gezeichnet. In schummriger Beleuchtung seien dort bei Nacht gemeinsam in seinem Zimmer die Spritzen gesetzt worden, berichtete der talentierte Nachwuchsfahrer, der einen Platz im Olympiateam für Athen so gut wie sicher hatte. Bei den nächtlichen Treffen in Zimmer 121, die über Monate hin ein bis zwei Mal pro Woche stattfanden, seien auch zwei Goldmedaillenkandidaten dabei gewesen. Er sei von einem Kollegen nur kurz nach seinem Einzug in Adelaide Anfang 2003 erstmals gespritzt worden. Damals habe er geglaubt, es handele sich um Vitamine, sagte French. Später sei er dann auf Selbstinjektion umgestiegen.

In Frenchs Zimmer waren später Steroide gefunden worden, außerdem ein Wachstumshormon für Pferde. Nach Aussagen des Chief Executive der Antidoping-Agentur Wada, David Howman, ist dies der erste Fall, in dem das „gefährliche Mittel“ verwendet wurde. Die Sportler hatten sich offenbar so sicher gefühlt, dass sie nach ihren nächtlichen Spritzaktionen nicht einmal aufgeräumt hatten. Putzfrauen fanden 13 Ampullen mit Dopingmitteln sowie gebrauchte Spritzen.

French hat zugegeben, Dopingmittel bei Trainingsaufenthalten im deutschen Radsportzentrum Büttgen in der Apotheke gekauft und nach Australien eingeführt zu haben. Trotz seiner Behauptung, er habe nicht gewusst, dass es sich bei diesen Mitteln um illegale Substanzen gehandelt hatte, wurde er als „Drogenhändler“ vom Australischen Olympischen Komitee (AOC) besonders hart bestraft.

Zwei Namen der von French belasteten Sportler sind inzwischen bekannt: der viermalige Weltmeister Shane Kelly und der Weltklassesprinter Sean Eadie. In seiner Aussage vor dem Internationalen Sportgerichtshof CAS hat French jedoch behauptet, die beiden hätten wie die anderen nur Vitamine gespritzt. Der CAS hat bislang lediglich French für schuldig befunden, was die Frage aufwirft, ob er sich nicht selbst entlasten wollte, indem er andere mit hineinzog.

Der australische Radsportverband hat unterdessen angekündigt, dass er nur „saubere“ Athleten nach Athen schicken werde. Doch wird er auch schwer verdächtige Sportler nominieren?

Alexander Hofmann[Sydney]

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