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Sport: Spurensuche im Stadion

1936 war Lou Zamperini in Berlin ein Olympiastar, am Donnerstag kehrte der Amerikaner zurück

Berlin - Ein kurzer Blick auf die Strecke genügt, dann rennt er los. Lou Zamperini springt mit seinen drahtigen Beinen die Stufen des Stadions hinunter. Nach wenigen Sekunden hat er sein Ziel erreicht – er steht auf der Ehrentribüne und schaut sich triumphierend um, als wäre die Arena voller jubelnder Fans. Es ist ein Donnerstag im leeren Berliner Olympiastadion. Lou Zamperini ist 88 Jahre alt. Er ist noch immer ein Sportler.

Er war schon einmal hier, das war 1936. Da rannte Zamperini für die USA um olympische Medaillen. Beim 5000-Meter-Lauf wurde er Achter. Die Berliner Zuschauer feierten ihn, denn die letzte Runde hatte Zamperini in sensationellen 56 Sekunden absolviert. Den Läufer wolle er kennen lernen, soll Adolf Hitler damals gesagt haben. Zamperini sollte hochgehen auf die Ehrentribüne, er nahm seinen Fotoapparat mit. Hitler schüttelte ihm die Hand, Joseph Goebbels drückte auf den Auslöser. „Es schienen freundliche Männer zu sein“, erinnert sich Zamperini. „Erst als ich drei Jahre später vom Überfall auf Polen hörte, habe ich begriffen, dass sie Verbrecher waren.“ Zamperini musste erkennen, dass er sich nicht mehr nur mit Sport beschäftigen konnte. „Wir alle waren Teil der Politik.“

In den Vierzigerjahren wurde der Läufer zum Soldaten. Die 1940 in Tokio geplanten Olympischen Spiele wurden abgesagt, die Japaner griffen Pearl Harbour an. Zamperini setzte sich in einen amerikanischen Bomber und flog Angriffe im Pazifik. „Vor dem Krieg war ich ein fanatischer Läufer“, erzählt Zamperini. „Im Krieg war ich ein fanatischer Verteidiger der Freiheit.“ Er ballt eine Faust.

Als er zum ersten Mal in Berlin war, bewunderte er die Fassade des Nationalsozialismus. „Berlin war sauber, es lagen keine Bananenschalen auf den Straßen“, erzählt er. Noch heute schwärmt er vom Rahmspinat und den Bierautomaten. Erst später wurde ihm bewusst, dass die Stadt voller Militärs war. „Rückblickend wurde mir klar, dass Hitler mit den Spielen nur Propaganda machen wollte“, sagt Zamperini. Dem Star der Wettbewerbe, Zampirinis Teamkollegen Jesse Owens, wollte der Diktator nicht die Hand schütteln. Weil er ein Schwarzer war.

Als Rentner ist Zamperini noch einmal nach Berlin gekommen, um seine Erinnerungen mit der Geschichte in Einklang zu bringen. Zuvor war er schon in Japan auf Spurensuche. Dort war er in Kriegsgefangenschaft geraten. „Ich bin kein Soldat mehr“, sagt er. Auf dem Kopf trägt er eine Mütze mit den Initialen seiner kalifornischen Universität. Es ist die erfolgreichste Sportuniversität in den USA.

Lou Zamperini ist immer noch Sportler – aber er will es nicht dabei belassen.

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