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Sport: St. Moritz hat den Superstar

Bei der Alpinen Ski-WM in der Schweiz dreht sich alles um eine Frage: Gewinnt Hermann Maier Gold?

Wien. Wer heute durch St. Moritz geht, würde wohl kaum auf die Idee kommen, dass der Ort mal ein zutiefst katholisches Nest war: Ein Juwelier reiht sich an den nächsten, dazwischen drängeln sich die Uhrmacher, Designer-Schuppen, Banken. Ja, im St. Moritz des Jahres 2003 treffen sich Alt- und Neureiche bei Veuve Cliquot und Pferderennen mit Familie Adel. Der Austragungsort der 37. Alpinen Ski-WM im schweizerischen Kanton Graubünden ist ein Wintersportort für den gehobenen Geldbeutel. Dabei hat das Dorf tatsächlich katholische Wurzeln. Schon der Name erinnert an den Märtyrer Mauritius, der im 4. Jahrhundert vom römischen Kaiser Diokletian abgeschlachtet wurde und dessen Gebeine im örtlichen Kloster aufbewahrt werden. Auch der heilige Benedikt soll hier vorbeigekommen sein.

Warum das alles wichtig ist?

Weil es in St. Moritz ab Sonntag zum größten Comeback seit Lazarus kommen soll. Vor gut eineinhalb Jahren hatte Hermann Maier bei einem Motorrad-Unfall beinahe seinen rechten Unterschenkel verloren. Nur mit viel Training und noch mehr Willen hat es der mittlerweile 30-jährige Österreicher wieder zurück geschafft. Wenn Maier am Sonntag auf die Super-G-Piste geht, wird er – im Gegensatz zu den deutschen Teilnehmern Max Rauffer und Stefan Stankalla – nicht nur um die Ehre fahren: Seit seinem Triumph in Kitzbühel am Montag gilt Maier neben seinem Landsmann Stefan Eberharter, den Amerikanern Daron Rahlves und Bode Miller sowie dem Schweizer Didier Cuche zu den Favoriten auf eine Medaille. Schon bei seiner ersten Pressekonferenz am Freitag drängelten sich mehr als 100 Journalisten und dutzende TV-Stationen im Raum, und dadurch wurde mehr als deutlich, dass die WM durch Maiers Rückkehr endlich ein Thema hat.

Denn sonst steht es um den alpinen Skisport nicht besonders gut. Aufmerksamkeit und Einschaltquoten, die die Brettl-Artisten erzielen, haben in den vergangenen Jahren stark nachgelassen. Das liegt zum einen an den österreichischen Seriensiegen in den Herren-Rennen, die jenseits der eigenen Landesgrenzen eher Ausschalt-Impulse auslösten. Zum anderen aber auch an den Sport- Trends: Der Handel verkauft mittlerweile ebenso viele Snowboards wie Alpin-Ski, vor allem in der Gunst der unter 30-Jährigen liegt das breite Brett klar vor den schmalen Latten. Und im TV-Geschäft erzielt RTL auch dank Günther Jauch mit den Skispringern deutlich bessere Quoten als die ARD und Waldemar Hartmann mit den Alpinen.

Maiers Rückkehr könnte da noch einmal für einen kleinen Umschwung bringen – und St. Moritz stärker ins Bewusstsein rücken. Die Comeback-Story könnte das geneigte Publikum vor die TV-Geräte bringen, nicht zuletzt in Deutschland mit der tatkräftigen Unterstützung der „Bild“-Zeitung, die inzwischen so häufig Maier-Storys ins Blatt hebt, dass sich die österreichischen Boulevard-Gazetten darüber lustig machen. „Bild“ hätte Maier „mangels eigener deutscher Wintersportstars adoptiert“, schreibt der „Kurier“ aus Wien.

Dabei wird Maier, wenn überhaupt, nur im Super-G eine realistische Sieg-Chance haben, weil er in dieser Disziplin am nächsten an der Weltspitze ist. Für die etwas längere und kräfteraubende Abfahrt am kommenden Samstag fehlt ihm selbst nach Einschätzung seiner Trainer die Kraft, und es ist gut möglich, dass Maier nicht einmal nominiert wird. Ähnlich sieht es in seiner einstigen Spezial-Disziplin, dem Riesenslalom, aus.

Und dadurch steigt die Chance, dass diese WM nicht zu österreichischen Meisterschaften verkommt. Bei den Damen-Rennen ist das Starterfeld ausgeglichen wie selten – einzig im Slalom ist die Kroatin Janica Kostelic als Siegerin gesetzt. Und auch bei den Herren könnte es aus österreichischer Sicht zum nationalen Albtraum kommen – zu einer Ski-WM ohne Goldmedaille. Dass die Konkurrenz so stark geworden ist, liegt auch am Export rot-weiß-roter Trainer. Die Schweizer hören bei ihrer Heim-WM auf das Kommando des Steirers Karl Frehsner. Die Amerikaner Bode Miller und Daron Rahlves durften nicht nur jahrelang bei den Österreichern mittrainieren, sie leben sogar in der Nähe von Innsbruck. Dort treffen sie gerne den Japaner Akira Sasaki, der beim Slalom in Wengen vor zwei Wochen sensationell Zweiter wurde – auch von einem Österreicher gecoacht. Genauso wie der schwedische Riesentorlauf-Spezialist Frederic Nyberg und der finnische Slalom-Star Kalle Pallander, der die letzten beiden Weltcup-Slaloms in Kitzbühel und Schladming gewann.

Die einzigen österreichischen Trainer, die im Ausland nicht so erfolgreich sind, heißen Hans Flatscher und Josef Hanser – und trainieren die deutschen Herren.

Markus Huber

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