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Trulsen

© dpa

St. Pauli: Zurück in die Schule

Weil St. Paulis Trainer Holger Stanislawski keine Lizenz hat, ist nun André Trulsen Chef - aber auch er muss noch lernen.

Berlin - Der Beschluss ist erstens nicht neu, und zweitens kam er nicht überraschend: Ab dieser Saison, so schreibt es die bereits letztes Jahr angekündigte Regelverschärfung vor, duldet die Deutsche Fußball-Liga (DFL) keine Bundesligatrainer mehr, die nicht über eine Fußballlehrer-Lizenz verfügen. Das gilt sowohl für die Bundesliga, als auch für die Zweite Liga. Außerdem gibt es auch keine Ausnahmen für ehemalige Nationalspieler mehr.

So gesehen, hat der FC St. Pauli entweder etwas versäumt, oder nicht ernsthaft an den Aufstieg in die Zweite Liga geglaubt. Und jetzt hat der Klub aus dem Hamburger Szenekiez ein Problem. „Wir haben bis zum Schluss auf eine Sonderregelung gehofft“, sagt André Trulsen, der am Montag überraschend vom Ko- zum Cheftrainer befördert wurde. Der Hintergrund: St. Paulis Erfolgstrainer Holger Stanislawski, der wiederum dem Trend folgend zum Teamchef avancierte, hat die von der DFL geforderte Lizenz bislang nicht erworben – er kann nicht einmal einen B-Trainerschein vorweisen. Und auch, wenn er „es bereits bewiesen hat, dass er es kann“, so Trulsen, muss Stansislawski wieder die Schulbank drücken. Erich Rutemöller, Chefausbilder des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und Lehrgangsleiter der Sporthochschule Köln, wartet bereits.

Doch damit nicht genug: Trulsen ist nämlich ebenfalls kein nach DFL-Richtlinien zertifizierter Fußballlehrer. Zwar kann er einen A-Trainerschein vorzeigen, die höchste Stufe der DFL-Ausbildungspyramide hat er damit aber noch nicht erklommen. Daher wird das Trainergespann voraussichtlich von August an auch eine Lerngemeinschaft sein. In Abwesenheit der beiden wird der zuvor ebenfalls als Kandidat für den Chefposten gehandelte Torwarttrainer Peter Nemet das Training leiten. „Wir drei harmonieren wie eine Band. Egal, wer der Frontmann ist“, sagt Trulsen. „Und da wir keine Einzelentscheidungen treffen, sondern immer als Team auftreten, sehe ich für diese Zeit keine Probleme.“ Man werde ja an den Wochenenden nach Hamburg kommen. Und außerdem sei man nicht alleine mit der Doppelbelastung.

In der Tat: Zurück in die Schule müssen auch andere namhafte Übungsleiter: Claus-Dieter Wollitz vom VfL Osnabrück, Christian Hock vom SV Wehen und Jos Luhukay von Borussia Mönchengladbach. Auf sie wartet ein halbjähriger Kurs mit 20 Unterrichtswochen plus einem vierwöchigen Praktikum. Vermittelt werden ihnen dabei Inhalte, die weit über ein bloßes Technik-Taktik-Training hinausgehen.

Welches Fach sei zu befürchten? „In Sportmedizin habe ich sicherlich noch die größten Lücken“, gibt Trulsen zu. „Ich sollte mir daher nicht allzu oft eine Auszeit nehmen. Es ist nicht mehr so wie früher.“ Aber mit der richtigen Einstellung werde es schon klappen – so wie bei Jürgen Klopp.

Die Ausgangslage ist vergleichbar: Auch Mainz hatte einen „Strohmann“ auf den Cheftrainerstuhl gehievt und ist bis in die Bundesliga gerauscht. Ließe sich diese Geschichte nicht wiederholen? „Machen wir uns doch nichts vor, wir gehen als krasse Außenseiter in die Saison mit dem einzigen Ziel, die Klasse zu halten. Aber keine Angst: Wir werden uns nicht verstecken“, sagt Trulsen. Warum auch? Mit einer guten Ausbildung in der Tasche, braucht man keine Angst zu haben.

Paul Linke

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