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STEILPASS Fans: Denk am Schmerz! Dirk Gieselmann ist jedes Mittel recht, um sein Werder-Trauma zu überwinden

Ein Freund von mir geht zum Boxtraining. Er will kein Champion mehr werden, sondern einfach nur den dummen Sandsack für den Frust des urbanen Alltags büßen lassen.

Ein Freund von mir geht zum Boxtraining. Er will kein Champion mehr werden, sondern einfach nur den dummen Sandsack für den Frust des urbanen Alltags büßen lassen. Vielleicht stellt er sich vor, dieser Sandsack sei sein Chef, vielleicht stellt er sich auch vor, dieser Sandsack sei ich. Ich würde es ihm nachsehen. Aber das nur am Rande. Wenn nun seine Kräfte nach einigen Minuten blinden Eindreschens zur Neige gehen, der Frust aber noch lange nicht, und der Sandsack genauso dumm da hängt wie am Anfang schon, kommt sein Trainer ins Spiel, ein Altberliner Schleifer. Er spornt ihn an, sich zu überwinden. „Denk nich’ am Schmerz!“, ruft er durch den nach Schweinehund riechenden Boxkeller. „Denk an, was weiß ich ... am Strand!“ Palmen, Cocktails und Bikinis, schon geht es wieder: Im Kopf meines Freundes läuft eine ZDF-Vorabendserie, der Rest des Körpers trägt derweil pflichtschuldigst den Frustberg ab. Sich schöne Gedanken machen, das muss doch auch beim Fußball helfen, so hoffte ich also. Und ich versuchte, mich wegzuträumen von einem miesen 1:1 zwischen Mainz und Werder, meinem Lieblingsverein, der mich jedoch seit geraumer Zeit in einen Alltag hineinzieht, der noch viel grauer ist als die verrußtesten Schneewehen dieses verdammten Berliner Winters. Aber die Strände des Fußballs, sie lassen sich nicht mit dem Billigflieger erreichen, nicht einmal mit dem Traumschiff. 2004, die Meisterschaft: unerreichbar! 2009, der Pokalsieg: viel zu weit weg! Es muss wohl genau umgekehrt lauten, also: „Denk nich’ am Strand! Denk am Schmerz!“ Motto: Es könnte alles viel weher tun als ein 1:1 in Mainz! Ich werde demnächst mal meinen Freund zum Training begleiten. Vielleicht brauchen sie da in ihrem Keller noch einen Sandsack. In schickem Grün-Weiß.

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