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Sport: Steilpass für ein Wunder

Wie die Deutschen in Afghanistan den Fußball fördern – und das Selbstvertrauen der Kinder und Jugendlichen

Kabul. Der Wunsch nach Selbstwertgefühl ist groß in Afghanistan. Aber der Spaß am Spiel, am Sport, am Fußball ist genauso groß. Und so wird es zwar ein langer und steiniger Weg sein, bis Afghanistans Fußball wieder Anschluss an den internationalen Standard in der asiatischen Region gefunden hat, aber der Wille ist ganz bestimmt vorhanden. Seit fünf Monaten finanziert die Bundesregierung das Sportprojekt, das vom NOK und dem DFB getragen wird. Zwar ist das Ziel des Projektes in erster Linie darauf ausgerichtet, den Jugendfußball zu fördern, Trainer auszubilden, den Spielbetrieb auf das ganze Land auszudehnen, Strukturen für den Fußballverband zu entwickeln. Doch nach Jahrzehnten tiefster Demütigung durch die Auswirkungen der russischen Invasion, des Bürgerkrieges und der Taliban-Herrschaft sehnen sich die Afghanen durchaus auch nach internationalen Wettkämpfen. Und weil oft sportliche Erfolge dazu beitragen, das „Wir-Bewusstsein“ zu fördern, wie das Wunder von Bern 1954 für die Deutschen, wurde in den vergangenen drei Monaten nach Jahrzehnten erstmals wieder mit dem Aufbau einer Jugendnationalmannschaft begonnen. Die Jungen im Alter unter 18 Jahren wurden an den Schulen entdeckt, teilweise auch beim Straßenfußball.

Die Schwierigkeiten sind allerdings noch immer enorm, zum Beispiel durch die Defizite der jungen Spieler bei der Ernährung. Hinzu kommen orthopädische Schäden mit Langzeitwirkung, nicht ausgeheilte Verletzungen oder auch Krankheiten. Mit Hilfe vieler deutscher Sponsoren entstand dennoch ein gutes Team, das unter anderem in der Vorbereitung auf die Qualifikation für die U-20-WM eine englische Militärauswahl im Stadion von Kabul vor 20 000 Zuschauern mit 4:1 Toren besiegt hat. Doch gegen erfahrene Jugendnationalmannschaften aus Tadschikistan (1:3) und Iran (0:6) kam das frühzeitige Aus. Bei dem Turnier in Teheran gab es dennoch viel Lob für die ehrgeizigen Afghanen.

Auch die Trainer machen Fortschritte. Drei aus dem neuen Trainerteam haben erst kürzlich eine Ausbildung des Auswärtigen Amtes und des DFB in Hennef absolviert, zwei andere wurden jetzt von der Fifa als Beobachter zur U-20-WM in die Emirate eingeladen. Die echte Bewährungsprobe steht aber erst noch bevor: die beiden WM-Qualifikationsspiele der A-Nationalmannschaft am 19. und 22. November gegen Turkmenistan. Auch hier obliegt den deutschen Experten die technische Beratung der beiden Nationaltrainer und die Leitung der gesamten Vorbereitungsphase, für die allerdings aus finanziellen Gründen nur zwei Wochen Zeit verbleibt. Auf jeden Fall steht heute schon fest, dass das Ghazi-Stadion beim Rückspiel der Nationalmannschaft in der Vorrunde der WM-Qualifikation gegen Turkmenistan mit 25 000 Zuschauern komplett ausverkauft sein wird. Enorme Sicherheitsvorrichtungen werden notwendig sein, um dieses Spiel ohne Zwischenfälle abzuwickeln.

Holger Obermann

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