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Sport: Suche nach sensiblem Material - Skispringer müssen ihrem Sportgerät voll vertrauen

Martin Schmitt hat vor der Vierschanzentournee ab 29. Dezember in Deutschland und Österreich den ersten Trumpf im Materialpoker gezogen.

Martin Schmitt hat vor der Vierschanzentournee ab 29. Dezember in Deutschland und Österreich den ersten Trumpf im Materialpoker gezogen. In Zakopane flog der 21-Jährige erstmals mit seinem neuen gelben Wunderski - und beim Doppeltriumph dem jeweils zweitplatzierten Tournee-Titelverteidiger Janne Ahonen weit davon. Mit Christof Duffner (Schönwald) wechselt dagegen ein Weltmeister mitten in der Saison die Skimarke. Sven Hannawald (Hinterzarten) will vor diesem Schritt nochmals neue Latten testen.

"Der sensibelste Teil in der Symbiose Mensch und Material ist der Ski", erklärt Bundestrainer Reinhard Heß. Auch die psychologische Bedeutung der Latten, die die Welt bedeuten, ist immens. Schmitt vertraute in den ersten fünf Saison-Weltcupspringen bis Zakopane auf seinen roten WM-Ski, mit dem er im Februar zum doppelten WM-Gold gesprungen war. Das erste Paar der ihm neu ausgehändigten Ski im gelben Design stellte er in die Ecke, "weil sie ein bisschen von den alten abgewichen sind."

Doch die "Rossignol"-Techniker ruhten nicht und bastelten für Schmitt neue Ski - mit denen er fast wundersam in Zakopane allen davonflog. "Die fühlen sich gut an und sind schnell beim Anfahren. Sie sind auch etwas anders als die roten, passen aber besser auf meinen gegenüber der letzten Saison etwas veränderten Flugstil. Mit denen springe ich bei der Tournee", meint Schmitt.

Die neuen "Wunderski" sind 11,5 Zentimeter breit, knapp 263 Zentimeter lang und damit "sechs, sieben Millimeter länger als die alten". Dadurch hat der 1,81 Meter große 21-Jährige eine etwas größere Auflagefläche beim Fliegen - obwohl das persönliche Limit von 264 Zentimetern (die Skilänge darf laut Regelwerk 146 Prozent der Körpergröße nicht überschreiten) nicht erreicht ist. Über die "Innereien" des Geräts hüllen sich die schon an einer Weiterentwicklung feilenden Techniker in striktes Stillschweigen - allerdings soll auch ein Metallteil dazugehören.

"Eigentlich haben die Techniker versucht, den roten Ski nachzubauen. Aber es ist nie ein Ski wie der andere - es gibt minimale Unterschiede beim Kleben oder Pressen. Ich bin sicher, dass Martin wieder zum roten greift, wenn er etwas unsicher ist", meint Heß. Auch Schmitt - der übrigens noch nie "live" gesehen hat, wie seine Ski "gemacht" werden - sagt, dass "man nie aufhören darf, zu testen". Genau das taten seine Kollegen Hannawald und Duffner nach Leistungsproblemen zu Saisonbeginn bis Sonnabend beim Trainingscamp in Ramsau/Österreich - in der jährlichen "Materialpoker-Phase" vor dem Saisonhöhepunkt Tournee.

"Die Tests von Ski mehrerer unterschiedlicher Firmen haben positive Ergebnisse gebracht", erklärt Heß. Es sei denkbar, dass sich beipielsweise der bisher auf "Elan" vertrauende (und von der für die Weite mitentscheidenden Anfahrtsgeschwindigkeit enttäuschte) Hannawald bei der Tournee für eine andere Marke entscheide.

"Wir sind keine Angestellten von Skifimen. Wenn es Tendenzen gibt, müssen wir das tun, wenn wir ganz vorn sein wollen", erklärt der Chefcoach, der die nun von Duffner bevorzugten neuen "Fischer"-Sprungski lobt. Bis zur prestigeträchtigen Tournee müsse nach all den Tests eine definitive Entscheidung gefallen sein, "damit sich der Springer sicher fühlt und nicht mehr an seinem Material zweifelt."

Wie wichtig die Skiwahl sein kann, verdeutlicht Heß an einem Beispiel aus der Vergangenheit: "In einer Saison habe ich dem Dieter Thoma nach jedem Trainingssprung gesagt, dass er sehr gut war. Jedes Mal hat mich Dieter gefragt, warum er dann zehn Meter weniger als Jens Weißflog springt. Irgendwann hat Dieter den Ski gewechselt - und ist im ersten Sprung die zehn Meter weiter gesprungen."

Lars Becker

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