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Sport: Südafrika lacht trotzdem

Für die kommende WM laufen viele Planungen nicht rund, doch die Vorfreude lässt sich niemand nehmen

Johannesburg, Westcliff Hotel. Nach einem mehrtägigen Kongress des Fußball-Weltverbandes Fifa laden die Veranstalter der Weltmeisterschaft 2010 zur Pressekonferenz. Journalisten, Fotografen und Kamerateams warten auf Fifa-Generalsekretär Urs Linsi, WM-Chef Danny Jordaan und den deutschen Organisationshelfer Horst R. Schmidt. Nach einigen Stunden wird die Pressekonferenz abgesagt, ohne Begründung. Am nächsten Morgen erscheinen auf den Titelseiten der Zeitungen Fotos des leeren Podiums und düstere Prognosen über den Stand der WM-Vorbereitungen.

Wenige Tage später, das Büro der Sprecherin des lokalen Organisationskomitees (LOC) Tumi Magkabo. „So etwas darf nicht wieder passieren“, sagt sie. Die frühere CNN-Anchorwoman Magkabo, die eine Talkshow im südafrikanischen Fernsehen moderiert, betrachtet ihre sorgfältig manikürten Fingernägel. Ab und zu in die Kritik zu geraten, das gehöre zu ihrem Job – ansonsten bitte sie freundlichst um eine Chance, sich zu beweisen. Dem LOC eilt schon länger der Ruf voraus, unzuverlässig zu arbeiten: Medienanfragen würden entweder gar nicht oder unzureichend beantwortet, Transparenz bleibe eine Absichtserklärung, beschweren sich südafrikanische Reporter. Tumi Magkabo bleibt trotzdem ruhig. „Danke, ich schlafe gut.“ Das LOC residiert im Johannesburger Geschäftsviertel Sandton, auf dem selben Flur hat auch die Fifa Räume bezogen. Viele Berührungspunkte gibt es offenbar nicht: „Wenn man sich sieht, grüßt man sich.“

Nicht weit von Sandton entfernt, in Rosebank, haben nun die Bauarbeiten für den Bahnhof einer neuen Schnellzugverbindung begonnen, der den Flughafen mit der Stadt und der Verwaltungshauptstadt Pretoria verbinden soll – ein WM- Vorzeigeprojekt. Doch der Zug wird 2010 vermutlich nur vom Johannesburger Flughafen bis in die Stadt rollen. Wie die Fans von dort aus zu einem der beiden Stadien gelangen sollen, ist unklar. Selbst ein Taxi zu bekommen, kann eine echte Herausforderung sein. Funktionierenden öffentlichen Nahverkehr innerhalb der Städte gibt es nicht, wohingegen die inländischen Flugverbindungen und die Straßen zwischen den neun Austragungsorten oft ausgezeichnet sind.

Dass die Stadien bis zur WM fertig werden, daran zweifelt kaum jemand. Schon gar nicht der Kapstädter Anwalt David Polvin, der sich für sein Land einen WM-Imagegewinn und wirtschaftliche Stabilität erhofft. Trotzdem leitet er eine Bürgerinitiative gegen den Neubau des 15 000 Fans fassenden Greenpoint-Stadions, das noch wie eine alte blaue Hutschachtel im Stadtzentrum steht. Wenn hier mit dem Anpfiff die Sonne untergeht, ist es schwer, sich auf die Lokalmatadore von Ajax Cape Town zu konzentrieren – die Aussicht auf den Tafelberg kann spannender sein als die Spielweise der „Urban Warriors“. Mit etwas Glück hat man einen ganzen Block für sich allein. Kapstadt ist im Gegensatz zu Johannesburg nicht das, was man eine Hochburg des Fußballs nennen würde.

„Als Präsident Mbeki und Fifa-Chef Blatter Ende 2005 ihren Hubschrauber-Rundflug über Kapstadt machten, soll Blatter von dem Standort so begeistert gewesen sein, dass er gesagt hat: ‚Genau hier will ich es haben.’ Blatter bekommt immer, was er will“, sagt David Polvin und stöhnt. Er wohnt in der Gegend und würde gern den Park rund ums Stadion erhalten wissen. „Grüne Lunge“ nennt er die ziemlich abgeschabte Grasfläche, die aufgrund der Nachbarschaft zur luxuriösen Waterfront zu den wertvollsten Grundstücken der Stadt zählt. Der Streit um das Stadion beschäftigt Kapstadt seit Wochen – Bürgermeisterin Helen Zille will das Schätzungen zufolge 200 Millionen Euro teure Objekt unbedingt an diesem Ort, obwohl die Finanzierung nicht gesichert und der Genehmigungsprozess, der die kleinteilige Verwaltung von Provinz und Stadt durchlaufen muss, noch lange nicht abgeschlossen ist. Ginge es nach David Polvin und seinen immer zahlreicher werdenden Mitstreitern, würde das Stadion in einem Township errichtet werden. „So könnte eine sozial schwache Gegend aufgewertet und nach der WM auch für andere Zwecke genutzt werden“, sagt Polvin, der seinen Lieblings-Golfplatz in Greenpoint nicht für ein einziges WM-Halbfinale opfern, aber auf die WM in Kapstadt keinesfalls verzichten will. Dass ihre Stadt die WM verlieren könnte, befürchtet schon eine andere Initiative: Am heutigen Sonntag soll es in der Innenstadt eine Demonstration für Kapstadt als Austragungsort geben.

Neben der Infrastruktur und dem Stadion am Kap gilt die Sicherheit als größtes Problem. Der stellvertretende Finanzminister Jabu Moleketi hat jetzt versprochen, 30 000 Polizisten zur Sicherung der WM ausbilden zu lassen. Insgesamt sollen 192 000 Polizisten im Einsatz sein. Eine schöne Idee für ein Land, in dem sogar die Weihnachtsbeleuchtung aus den Fußgängerzonen geklaut wird.

Eines lassen die Südafrikaner nicht vermissen: die Vorfreude auf die erste WM auf ihrem Kontinent. Doch auch das ist nicht so einfach. Ein Kneipenbesitzer in Pretoria hatte ein Schild vor seiner Eastwood’s Entertainment Lounge aufgestellt, auf dem nichts weiter stand als „World Cup 2010“. Wenige Tage später bekam er einen Brief von der Fifa – mit der Aufforderung, das Schild sofort abzubauen. Aus urheberrechtlichen Gründen.

Esther Kogelboom[Johannesburg]

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