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Sport: Tanz den Letten

Das deutsche Team ist nach dem 0:0 ratlos und will das zweite Gruppenspiel lieber schnell vergessen

Ganz tief unten im Stadionkeller hatte Bastian Schweinsteiger noch ein paar Fragen zu beantworten. „Wir wollten ja“, sagte der junge Münchner nach dem 0:0 gegen Lettland. Dabei knüllte er mit seinen Händen ein lettisches Trikot zusammen, das er sich auf dem Rasen des Bessa-Stadions ergattert hatte. Es war ihm ein wenig peinlich, noch auf Trikotjagd gegangen zu sein. Aber so ein Dress der geheimnisvollsten EM-Mannschaft stellt unter westeuropäischen Profis eine gewisse Kostbarkeit dar. „Ein Sieg wäre mir aber lieber gewesen.“

Dass es dazu für die Deutschen nicht langte, hatte mehrere Gründe. Im baltischen Land, das nur 2,3 Millionen Einwohner hat, wird Fußball auch zu elft gespielt. Doch hatte man den Eindruck, als würden doppelt so viele Letten auf dem Platz stehen. Zwei Viererketten hatten sich zu einem Bollwerk geformt. Und Deutschland, dessen Fußball-Verband 6,3 Millionen Mitglieder zählt, verfügt nicht mehr über eine Hand voll Spieler, die in der Lage sind, ein solches Bollwerk auszuhebeln. „Auf die leichte Schulter haben wir die Letten nicht genommen, aber wir sind zu selten auf die Grundlinie vorgestoßen, um gefährlich zu flanken“, kritisierte Teamchef Rudi Völler.

„Immer, wenn du mal einen Letten ausgespielt hattest, standen zwei neue da“, seufzte hinterher Berlins Stürmer Fredi Bobic, der zusammen mit der zweiten deutsche Spitze, dem Stuttgarter Kevin Kuranyi, glücklos versuchte, sich im gegnerischen Strafraum Räume zu verschaffen. Bobic war sichtlich genervt vom defensiven Verhalten der Letten, die in ihrem Zentrum noch einen wahren Abwehr-Monolithen aufgestellt hatten. Igors Stepanovs misst 1,92 Meter und köpfte „die vielen schwachen Flanken aus dem Halbfeld“ (Völler) weg. Bobics Mannschaftskollege Arne Friedrich, der sich nur ganz selten auf der rechten Außenbahn durchsetzen konnte, sprach davon, dass es „dich irgendwann vor den Kopf stößt, was die gespielt haben“.

Während die Deutschen enttäuscht vom Platz trotteten, bildeten die glücklichen Letten auf dem Rasen einen Kreis. Sie hakten einander unter und tanzten auf dem Rasen. Immer mehr Spieler kamen hinzu, so formierte sich Ring um Ring. In der Mitte drehte sich ihr Trainer Aleksandrs Starkovs wie angetrunken. „Das war ein historisches Remis, weil es der erste Punktgewinn bei einer EM war. Ich bin stolz“, sagte er. Zu Hause dürfte jetzt Volksheld Kristers Sergis Konkurrenz bekommen. Der ist fünfmaliger Seitenwagen-Weltmeister im Motocross.

Die Deutschen spielten teils umständlich, teils zu langsam. Vor allem die Mittelfeldspieler Dietmar Hamann, Torsten Frings und Bernd Schneider blieben unter Form. Allein Michael Ballack, der erneut zum „Man of the Match“ gewählt wurde, verteilte gekonnt die Bälle. Mal nach rechts, mal nach links. Es war nicht seine Schuld, dass seine Mitspieler nichts damit anzufangen wussten. Der Leverkusener Schneider musste bei Halbzeit in der Kabine bleiben. „Ich hatte nicht den Eindruck, dass er sich mal bis auf die Grundlinie durchsetzen könnte“, sagte Völler. Für Schneider war Schweinsteiger gekommen, dem ebenfalls nicht viel gelang. Überhaupt lag der Teamchef mit seinen Auswechslungen nicht gerade richtig. Miroslav Klose und Thomas Brdaric, die für Bobic und Kuranyi kamen, waren keinen Tick gefährlicher. Die deutschen Fans hatten den jungen Lukas Podolski lautstark gefordert, weil sie sich von seiner Unbekümmertheit mehr Schwung versprachen. Hinterher sei man immer schlauer, entgegnete Völler.

„Jetzt müssen wir gegen Tschechien ein Highlight setzen“, sagte Christian Wörns. „Ein Remis reicht nicht, wir müssen mal wieder einen Großen aus dem Weg räumen.“ Der Dortmunder spielte nicht schlecht, hatte aber – wie sein Nebenmann Frank Baumann – Glück, dass der Schiedsrichter nicht Elfmeter gegen ihn pfiff. In Hälfte zwei hatten beide je einmal den schnellen lettischen Stürmer Verpakovskis gelegt.

Und wie geht es nun weiter? Völler sagt es so: „Wir sind nach zwei Spielen noch im Turnier, das hätte auch anders kommen können.“

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