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Tennis-Masters in China: Zu wenig Glamour für Schanghai

Tennis boomt in China, vor allem in den großen Metropolen an der Ostküste - doch es fehlen die Stars.

Mit so einer Frage hatte Nikolai Dawidenko nicht gerechnet. Er sei doch kein so hübscher Kerl, blaffte eine chinesische Reporterin dem Russen ins Gesicht, nachdem dieser gerade im Halbfinale des neuen Masters Turniers in Schanghai den Weltranglistendritten Novak Djokovic in einem Drei-Stunden-Match niedergekämpft hatte. Doch der Tenniskrimi interessierte die chinesische Reporterin so gar nicht. Sie wollte nur wissen, wie Dawidenko den täglichen Blick in den Spiegel ertrage. Die Boulevardschreiberin dachte wohl an Rafael Nadal oder Novak Djokovic und all die anderen von Sponsoren zu Tennis-Popstars gestylten Profis. Der blasse und von früh einsetzendem Haarausfall heimgesuchte Moskauer erfüllt so gar nicht die Sehnsucht der Chinesen nach strahlenden Weltstars. Und ausgerechnet so einer gewinnt das erste ATP-Masters-Turnier auf volkseigenem Grund, 7:6, 6:3 gegen den viel schillernderen Rafael Nadal aus Mallorca.

Bis vergangenen Dezember war die futuristische Qi-Zhong-Halle mit ihren 15 000 Sitzen unter dem wie eine Magnolienblüte auffächerbarem Dach Austragungsort für den Masterscup. Doch das Saisonfinale der besten acht der Weltrangliste wird Ende November als ATP World Tour Finale nach Europa zurückkehren und findet fortan in London statt. Als Ersatz bekam China zwei große Turniere: die Beijing Open im olympischen Tennisstadion und das ATP-Masters von Schanghai, nach den vier Grand- Slam-Turnieren eines der acht wichtigsten Turniere der Saison. Der Tenniszirkus entdeckt Asien. In diesem Jahr tourt die ATP drei statt bislang zwei Wochen durch Fernost. Wo sonst lassen sich noch neue Einnahmequellen erschließen? In nur einem halben Jahr baute Schanghai für das einwöchige Männerturnier einen ganzen Tennispark rund um die Halle. Beim Endspiel am Sonntag machte sogar IOC-Chef Jacques Rogge seine Aufwartung.

Tennis boomt in China, vor allem in den großen Metropolen an der Ostküste. Fast jede bessere Wohnanlage hat einen Platz in nächster Nähe. Und der Sport ist erschwinglich. Gerade mal 15 Yuan, keine zwei Euro, zahlt die Studentin Ding Hui Platzmiete an ihrer Universität, erzählt sie begeistert. Huang Qiang ist zum Finale extra mit seinem Sohn aus dem zwei Autostunden entfernten Hangzhou angereist, „um hochklassiges Tennis zu sehen“. Anschauungsunterricht für die nächste Traingsstunde des Nachwuchses. Als Li Guangcheng Anfang der 80er Jahre mit dem Tennis begann, gab es in ganz Schanghai nur ganz wenige Plätze. Gespielt wurde mit museumsreifen Holzschlägern. „Mein Bruder brachte mir damals als Geschenk einen modernen Schläger aus Japan mit. Den hab ich an die besten Spieler der Stadt verliehen“, erinnert sich der Händler.

Was dem chinesischen Tennis zum weiteren Aufschwung fehlt, ist ein Zugpferd aus dem eigenen Land. Bei den Frauen zählen Li Na, Zheng Jie und Peng Shuai schon zur erweiterten Weltspitze. Doch bei den Männern ist weit und breit kein Weltklassemann in Sicht, der vielleicht auch die Wünsche der Boulevardpresse adäquat befriedigen könnte.

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