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Sport: Tennis-Olympionikin: Jana Kandarr schlägt sich bis ins Achtelfinale durch

Manchmal fühlt sich Jana Kandarr bei diesen Olympischen Spielen noch "wie in einem großen Traumland." Dann ist sie nahe dran, sich "in den Arm zu kneifen", um festzustellen, "ob das auch alles wahr ist", ob sie wirklich in Sydney mit beiden Füssen fest auf dem Boden steht.

Manchmal fühlt sich Jana Kandarr bei diesen Olympischen Spielen noch "wie in einem großen Traumland." Dann ist sie nahe dran, sich "in den Arm zu kneifen", um festzustellen, "ob das auch alles wahr ist", ob sie wirklich in Sydney mit beiden Füssen fest auf dem Boden steht. Die einzige deutsche Tennis-Olympionikin hat einen guten Grund für ihre andauernde Ungläubigkeit: Auf solch verschlungenen und verrückten Wegen wie Kandarr ist kaum jemand aus der großen deutschen Olympia-Equipe an die australische Pazifikküste gelangt.

"Dass ich hier bin, ist eine Sensation, ein Irrwitz", sagt Kandarr, die gestern, an ihrem 24. Geburtstag, ungefährdet mit 7:5, 6:4 gegen die Schweizerin Emmanuelle Gagliardi ins Achtelfinale des olympischen Wettbewerbs einzog und nun einem Centre-Court-Showdown mit US-Open- und Wimbledonsiegerin Venus Williams entgegenfiebert. "Wenn ich ab und zu mal an den Ball komme, habe ich vielleicht eine kleine Chance", lächelte die Karlsruherin.

Jana Kandarrs Olympia-Story begann beim Turnier in Melbourne. Da balancierte sie bei neun gegnerischen Matchbällen in der Qualifikation und in ihren Erstrunden-Matches jedes Mal am olympischen Abgrund, ehe sie mit ihrem verblüffenden, nie und nimmer erwarteten Achtelfinalvorstoss das Ticket nach Sydney löste. "Erst hört Steffi Graf auf, dann verletzt sich Anke Huber, und nun bin ausgerechnet ich die letzte Mohikanerin bei den Spielen", sagt das Tennis-Model, nach dem sich im Athletendorf die Männer "immer die Hälse verdrehen" (Bundestrainer Markus Schur).

Seit dem Zitterspiel von Melbourne, als sie "wie aus dem Nichts" (Schur) die deutsche Grand-Slam-Bilanz kräftig aufpoliert hatte, ist die langbeinige Schönheit aber wieder zu einem Faktor im deutschen Damentennis geworden: "Sie spielt im Moment so gut wie nie zuvor in ihrer Karriere", sagt DTB-Sportwart Walter Knapper. Früher häufig ein Nervenbündel, wenn es hart auf hart ging in einem Spiel, tritt das deutsche "Pin-up-Girl" (The Age) nun mit erstaunlicher Souveränität und Selbstsicherheit in kribbligen Situationen auf. "Seit ich mein Abitur geschafft habe, sehe ich alles gelassener", sagt Kandarr, "wenn es mit dem Tennis nichts wird, hätte ich immer eine Alternative - das beruhigt."

"Plan A" im Leben von Jana Kandarr ist aber Tennis. Und im Hier und Jetzt ist es das olympische Turnier. Sie genießt es, Minute für Minute. Auch wenn morgens in ihrem Wohnblock, den sie mit Triathletinnen, Fünfkämpferinnen und Taekwondo-Athletinnen teilt, "die Busse praktisch durch die Küche fahren", auch wenn strenge Kleiderordnung im Team herrscht ("Straßenklamotten sind verboten"), lässt sich die gebürtige Hallenserin nicht in ihrer kindlichen Freude beeindrucken. Vor allem, weil sie weiß, "dass ich normal nur eine Ein-Prozent-Chance hatte, hier zu sein."

Einmal mindestens wird sie noch ins Rampenlicht rücken auf der olympischen Bühne. Wenn auf der anderen Seite des Netzes Venus Williams stehen wird, die seit 28 Spielen keine mehr geschlagen hat. Sollte es nun ausgerechnet gegen Big Sister Venus klappen? "Es wäre verrückt, aber man soll niemals nie sagen", sagt Kandarr.

Jörg Allmeroth

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