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Justine Henin.

© AFP

Tennis: Statt der Liebe

Paris und Justine Henin, das war immer eine erfolgreiche Liaison – doch bei ihrer Rückkehr scheidet die Belgierin vorzeitig aus.

Justine Henin senkte den Kopf und hielt einen Moment inne. Ihr Blick wirkte leer, ihre schmalen Lippen kniff sie zusammen, wie sie es oft tut, wenn ihr etwas nahe geht. Dann packte sie ihre Tasche und verließ den Court Suzanne Lenglen. Die Zuschauer erhoben sich für Henin, der warme Applaus rang ihr ein kurzes Lächeln ab. Auch wenn die Niederlage Henin selbst nicht überrascht hatte, wollte sie doch „so sehr, dass dieses Abenteuer weitergeht“. Doch die wunderbare Rückkehr nach Roland Garros endete für Henin im Achtelfinale der French Open. Mit 2:6, 6:1 und 6:4 unterlag sie der Australierin Samantha Stosur.

Vor sechs Jahren hatte die zierliche Belgierin zuletzt ein Match auf jenem Sandboden verloren, auf dem sie so unbezwingbar wirkte und in einem Stadion, das nur für sie gemacht worden schien. Damals kam das Aus gegen die Italienerin Tathiana Garbin in der zweiten Runde. Henin war dabei durch das Pfeiffersche Drüsenfieber geschwächt, wie sich herausstellte. Sie spielte in den folgenden zehn Monaten nur zwei Turniere. Eines davon waren die Olympischen Spiele in Athen, wo sie Gold gewann.

Vielleicht waren es Augenblicke wie diese, die die Erwartungshaltung an Henin auf Maßstäbe jenseits der Normalität angehoben haben. Und wo, wenn nicht in Roland Garros hätte sich ein weiteres märchenhaftes Phänomen ereignen sollen? Der Weg war bereits vorgezeichnet, Henin sollte mit ihrem fünften Triumph ihr Comeback krönen. „All diese Erwartungen kamen nur von außen“, stellte Henin klar, „ich habe es von Match zu Match versucht. Aber ich habe nie gefühlt, als könnte ich das schaffen.“

Erst mit Beginn der Saison war Henin auf die Profitour zurückgekehrt. 20 Monate dauerte ihre Auszeit, die zunächst für immer sein sollte. Die 27-jährige Wallonin suchte nach sich selbst, nach neuer Kraft nach der Scheidung von ihrem Mann und ihrem Platz im Leben. Viel mehr als Tennis hatte sie nie gekannt, nun probierte sie sich in Schauspielerei aus, fuhr für die Unicef-Stiftung nach Kambodscha und in den Kongo. „Ich habe so viel über das Leben und mich erfahren“, sagte Henin rückblickend, „und gemerkt, dass ich auch abseits des Tennisplatzes existieren kann. Ich war frei und konnte tun, wozu ich Lust verspürte.“

Die Lust aufs Tennis kehrte jedoch zurück, getrieben durch den Wunsch, einmal in Wimbledon zu triumphieren. Das war Henin nie gelungen. Dafür war sie in Paris seit 24 Partien ungeschlagen, 2003 und von 2005 bis 2007 war sie die Königin von Roland Garros, und erst Maria Scharapowa nahm ihr nun in der dritten Runde den ersten Satz seit sechs Jahren ab. Die verletzungsgeplagte Russin spielte noch nicht auf ihrem besten Niveau, doch sie zeigte, dass Henin verwundbar ist. Nur 24 Stunden später warf Stosur sie aus dem Turnier.

Dass Henin aufgrund des Schauerwetters fünf Tage in Folge spielen musste, war wenig hilfreich, doch auch mit längeren Erholungspausen wäre es schwer für sie geworden. Die filigrane Technikerin im Pulk der Powerfrauen wirkte besonders mit ihrer stärksten Waffe anfällig, ihrer einhändigen Rückhand. Auch bewegte sie sich in Paris nicht so leichtfüßig, wie gewohnt. Die wenigen Monate an Spielpraxis hat ihr Körper noch nicht kompensiert, auch die mentale Stärke ist noch ein Manko. „Jeder will mich wieder auf dem Level von 2007 sehen“, sagte Henin, „aber das Selbstvertrauen wieder aufzubauen, das ich damals hatte, dauert Jahre.“

Es sei ein Übergangsjahr für sie, fügte sie ein wenig ernüchtert hinzu. Schnelle Erfolge, wie sie ihrer Landsfrau Kim Clijsters mit dem US-Open-Sieg bei ihrem Comeback gelungen sind, könne sie nicht erwarten. „In meiner ersten Karriere musste ich nie solche schweren Momente erleben“, sagte Henin und wieder presste sie kurz die Lippen zusammen. „Aber nun muss ich damit fertig werden.“

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