zum Hauptinhalt
Neuer Job. Boris Becker nimmt wieder den Schläger in die Hand.

© dpa

Update

Tennis: Warum Boris Becker Novak Djokovic trainiert

Die deutsche Tennis-Legende Boris Becker soll Novak Djokovic zu neuen Erfolgen verhelfen: Obwohl er kaum Erfahrung als Coach hat, trainiert Becker ab der kommenden Saison den serbischen Weltranglistenzweiten.

Das Timing hatte nicht ganz gepasst. Eigentlich wollte Boris Becker bereits am vergangenen Samstagabend in der Show „Wetten, dass...?“ mit viel Tamtam eine große Neuigkeit verkünden, doch dann erklärte er der Nation bloß lapidar: „Die Twitter-Hand geht mir manchmal durch.“ Der Deal mit Novak Djokovic war am Samstag also offenbar noch nicht perfekt, und so musste sich Becker statt mit der großen Bühne gestern mit einer nüchternen Pressemitteilung begnügen – der Knalleffekt blieb jedoch der gleiche. Denn zuletzt hatte der 46 Jährige hierzulande durch die privaten Schlammschlachten um seine zweite Biografie und ein paar peinliche Auftritten seinen Ruf als Tennis-Legende ordentlich ramponiert. Zu Djokovic waren die jüngsten Entwicklungen wohl nicht durchgedrungen oder sie kümmern den Serben einfach nicht. Der Weltranglistenzweite holte Becker für die neue Saison als Chefcoach in sein Trainerteam und betonte in seiner Mitteilung: „Ich bin total begeistert, die Möglichkeit zu haben, mit Boris zu arbeiten. Er ist eine wahre Legende.“

Djokovics Ansinnen ist klar, die Gerüchte waberten schon seit einiger Zeit durch die Szene. Der sechsmalige Grand-Slam-Sieger wollte eine Veränderung, hatte er in diesem Jahr gegen Rafael Nadal doch viel zu oft das Nachsehen gehabt. Mal hieß es, Djokovic wolle sich von seinem langjährigen Coach Marian Vajda trennen – nun behält er ihn, degradiert ihn aber neben Becker quasi zum Assistenztrainer. „Boris bringt frische Impulse“, teilte Djokovic mit. Und um nicht mehr, aber auch nicht weniger geht es für ihn bei dieser Zusammenarbeit: Becker wird den 26-Jährigen bei den zwölf wichtigsten Turnieren 2014 betreuen, das sind etwa 20 Wochen der elfmonatigen Saison.

Viel mehr Zeit kann Becker neben seinen anderen Verpflichtungen auch gar nicht erübrigen. Die lukrativen Kommentatoren-Jobs, besonders jener bei der BBC in Wimbledon, zählen zu seinen wichtigsten Einnahmequellen. Denn selbst die Autohäuser des Entrepreneurs, wie er sich selbst gerne nennt, sollen längst nicht mehr so gut laufen. Und auch manche Sponsorenverträge wurden nicht verlängert, wie der mit Pokerstars, die inzwischen mit Nadal werben. Doch des Geldes wegen übernahm Becker den Trainerposten sicher nicht. Ihm geht es stets um die Würdigung seiner Person, die Wertschätzung seiner sportlichen Erfolge. Und die fühlt er im Ausland stärker als in der Heimat, dort wird er weiterhin als dreimaliger Wimbledonchampion, als ehemalige Nummer eins, als zweifacher Davis-Cup-Sieger bejubelt. Besonders in England lachen sie über seine Witzeleien, halten ihn für selbstironisch und schlicht großartig. Dort ist Becker noch wer.

Umso größer ist nun nach den jüngsten Abgesängen in Deutschland wohl Beckers Genugtuung. „Ich bin stolz, dass Novak mich gefragt hat, sein Coach zu sein“, erklärte er. Djokovic war vor kurzem noch der Beste, er will es unbedingt wieder sein. Und da sein Ernährungs-, Trainings- und Fitnessplan bereits perfektioniert ist, gibt es auf diesem Niveau nur noch hauchdünne Nuancen die den Unterschied ausmachen, ob man ein Grand-Slam-Finale gewinnt oder verliert. Sein schottischer Konkurrent Andy Murray hatte zuletzt mit Altmeister Ivan Lendl seinen persönlichen Erfolgsmacher gefunden. Einen, der selbst mal ganz oben stand. Der selbst seine ersten vier Endspiele bei einem Grand Slam verlor und weiß, dass das die Hölle ist. Der Trend ist nicht neu, Roger Federer hatte mal die australische Legende Tony Roche an seiner Seite, derzeit trainiert er mit dem schwedischen Idol Stefan Edberg. Japans Hoffnungsträger Kei Nishikori vertraut künftig Michael Chang. Die Erfahrungen eines Champions, sie sollen auch für Djokovic den Erfolg zurückbringen. Becker soll sein Lendl werden.

Und auch wenn der Deutsche trotz seiner Kommentatorentätigkeit kein wirklicher Kenner der heutigen Spielerszene ist, so kann das Experiment dennoch klappen. Denn zumindest die Schwergewichte hat Becker noch im Blick, und um die geht es. Und wenn Becker etwas besonders gerne tut, dann ist es Geschichten von früher zu erzählen - genau die will Djokovic ja hören. Bei den US Open hatte der Serbe kurzzeitig Wojtek Fibak verpflichtet, Lendls ehemaligen Trainer. Doch die Chemie hatte mit dem 60-jährigen Polen offenbar nicht gepasst. Djokovic scheiterte im Finale an Murray. Nun soll es also Becker richten, wenn er Mitte Januar bei den Australian Open als Titelverteidiger antritt. Dann muss er standhalten gegen Nadal und Co., mit dem Schläger und dem Kopf. Dann braucht Djokovic seine Geheimwaffe. Und man kann Becker zwar für eine Nervensäge halten, doch eines kann man ihm nicht nachsagen: Dass ihm je auf einem Tennisplatz die Nerven geflattert wären.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false