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Sport: Tennisfinale: Silber für einen Sieger

Er spielte im größten Endspiel seiner Karriere das Match seines Lebens, er kämpfte um den Sieg "wie um Leben oder Tod" (Teamchef Carl-Uwe Steeb), er rannte sich drei Stunden und 34 Minuten die Lunge aus dem Hals, er glich einen 0:1- und einen 1:2-Satzrückstand auf, er schlug alle möglichen Zauberbälle aus den unmöglichsten Lagen, er trumpfte mal mit Leidenschaft, mal mit Eiseskälte auf. Doch als sich der Vorhang hinter ein grandioses Finale im State Tennis Center von Sydney senkte, da blieb Thomas Haas die Goldmedaille verwehrt: In einem Foto-Finish hatte der Russe Jewgeni Kafelnikow mit 7:6, 3:6, 6:2, 4:6 und 6:3 die Nasenspitze vorn.

Er spielte im größten Endspiel seiner Karriere das Match seines Lebens, er kämpfte um den Sieg "wie um Leben oder Tod" (Teamchef Carl-Uwe Steeb), er rannte sich drei Stunden und 34 Minuten die Lunge aus dem Hals, er glich einen 0:1- und einen 1:2-Satzrückstand auf, er schlug alle möglichen Zauberbälle aus den unmöglichsten Lagen, er trumpfte mal mit Leidenschaft, mal mit Eiseskälte auf. Doch als sich der Vorhang hinter ein grandioses Finale im State Tennis Center von Sydney senkte, da blieb Thomas Haas die Goldmedaille verwehrt: In einem Foto-Finish hatte der Russe Jewgeni Kafelnikow mit 7:6, 3:6, 6:2, 4:6 und 6:3 die Nasenspitze vorn.

An einem Tag, an dem niemand die prominenten Olympia-Boykotteure wie Pete Sampras oder Andre Agassi vermisste, durfte sich allerdings auch der strahlende Zweite als Sieger ohne Abstriche fühlen: "Ich bin stolz auf mich", sagte der 22-jährige, "das waren die besten Turniertage meiner Laufbahn." Kein Wunder, dass sich der zuletzt von Verletzungspech durcheinander geschüttelte Haas neuen Schwung von seiner olympischen Tennis-Gala erhoffte: "Ich habe jetzt gelernt, was ich tun muss, um erfolgreich zu sein." Bald werde Haas "wieder in den Top Ten stehen", prophezeite Kapitän Steeb, der die Finalshow als "perfekte Werbung für das deutsche Tennis" bezeichnete: "Ich hoffe, dass viele Kinder dieses Spiel gesehen und die Leistung von Thomas bewundert haben."

Die Logik bezwingend, hatte Thomas Haas am Ende eines strapaziösen Turniers mit fünf Matches in sechs Tagen auch noch Kafelnikow erbitterten Widerstand geleistet und ihn in einen Endspiel gezwungen, das besser war als jedes Grand-Slam-Finale dieser Saison. "Ich habe drei Sieger auf dem Platz gesehen. Kafelnikow, Haas und das olympische Tennis", sagte Francesco Ricci-Bitti, der italienische Präsident des Tennis-Weltverbands ITF. Auch IOC-Vizepräsident Thomas Bach, der Zeremonienmeister bei der Siegerehrung, schwärmte von einem "sensationellen Duell, das jeden im Stadion mitgerissen hat".

Dabei hielt Haas bis in die dramatische Schlussphase des fünften Satzes mit - bis zum verhängnisvollen Break zum 3:5 nach dreieinhalb Stunden. "Wer in drei Monaten nur zwei Matches auf dem Buckel hat, geht hier normalerweise in den ersten Tagen schon aus dem Wettbewerb. Aber Thomas bringt nicht auch noch Kafelnikow an den Rand einer Niederlage", sagte Walter Knapper, der Sportwart des Deutschen Tennis Bundes (DTB).

Doch weil ein starker Wille über alle Trainingsdefizite triumphierte, weil Haas ausgerechnet unter vielen olympischen Amateuren erstmals wie ein erwachsen gewordener Profi spielte, war er auf der Zielgeraden nur ein paar Millimeter vom Gold entfernt. Auferstanden aus Ruinen - es war das Sydney-Motto des amerikanischen Deutschen, der "zwei superschöne Wochen erlebte, die ich nie vergessen werde."

Und die er auch nicht vergessen sollte. Denn wenn Haas seiner "unglaublichen Kopf-Leistung" (Steeb) von Sydney bald auch noch die Fitness eines Spitzenathleten hinzufügt, dann sollte der Sprung zurück in die ersten zehn der Weltrangliste nur Formsache sein. "Bisher habe ich zu oft den falschen Plan, die falsche Strategie gehabt", sagte Haas. "Ich werde von diesen Erfahrungen profitieren, ganz sicher. In Zukunft werde ich nicht mehr so oft gegen Leute verlieren, gegen die ich nicht verlieren sollte."

Es war ein denkwürdiges Finale, ein Spiel mit Power und Dynamik, aber auch mit Finten und Finessen. "Wir haben beide unglaubliche Schläge abgezogen", sagte Kafelnikow, der so beseelt und engagiert auftrat wie selbst bei Grand Slam-Endspielen nicht. Der Grund? "In Russland kriegt er mit fünf Wimbledon-Siegen nicht soviel Anerkennung wie mit einer Goldmedaille", sagte sein deutscher Manager Michael Commandeur. "Jetzt ist Jewgeni zu Hause ein Held."

Jörg Allmeroth

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