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© dpa

Theo Zwanziger: "Der Umgang mit Tabus wird ehrlicher"

DFB-Chef Theo Zwanziger spricht im Interview mit dem Tagesspiegel über Depressionen und Hilfe.

Herr Zwanziger, was hat sich im Fußball seit dem Freitod von Nationaltorhüter Robert Enke konkret verändert?



Veränderung im Verhalten setzt Veränderung im Bewusstsein voraus. Dies sind langwierige Prozesse, die nicht an einer konkreten Momentaufnahme festzumachen sind – zumal im Fußball auch Millionen Menschen einbezogen werden müssen. Unzählige Briefe und Mails, die den DFB und mich erreicht haben und die bis zum heutigen Tag eingehen, zeigen mir aber, dass die schreckliche Nachricht vom Tod Robert Enkes angekommen ist. Sie führt zur Nachdenklichkeit und kann damit den Umgang mit Tabuthemen im Sport ehrlicher werden lassen.

Was tut denn der DFB konkret?

Über die noch zu gründende Robert- Enke-Stiftung werden wir das Thema offen weiterverfolgen. Und selbstverständlich wollen wir es in unserer eigenen Bildungsarbeit, besonders bei Trainern und Übungsleitern, weiter vertiefen. Eine nächste Gelegenheit dazu bietet sich bei unserem Wissenschaftskongress in der kommende Woche.

Wann nimmt die Robert-Enke-Stiftung ihre Arbeit auf und was soll sie leisten?

Es gibt ja zunächst einmal die Entscheidung von Hannover 96, der Deutschen Fußball-Liga und des DFB, sich mit einer entsprechenden Summe an der Stiftung zu beteiligen. Nun laufen die Vorbereitungen für die Gründung der Stiftung. Wir werden in unserer Präsidiumssitzung am 15. Januar entsprechende Beschlüsse verabschieden. Nach derzeitigem Diskussionsstand wird sich die Stiftung schwerpunktmäßig mit dem Thema Depressionen – gerade im Leistungssport – beschäftigen. Und auf Wunsch von Teresa Enke wird sie sich auch für herzkranke Kleinkinder engagieren.

Gibt es Hilfsangebote an Spieler und Vereine wie etwa anonyme Anlaufstellen?

Bisher sind mir keine bekannt. Und ich weiß auch nicht, ob das wirklich Sinn macht. Viel entscheidender erscheint mir, dass jemand mit seinen Nöten in dem Alltags-Umfeld, in dem er sich bewegt, vertrauensvolle und seriöse Partner findet, mit denen er reden kann. Ob das nun der Trainer, ein Vorstands- oder ein Mannschaftsmitglied ist. Auch in diesem Bereich ist unsere Bildungsarbeit auf allen Ebenen gefragt.

Ist es überhaupt möglich, in einer Mannschaft ein Klima zu schaffen, in der sich ein Spieler traut, über Depressionen zu sprechen?

Warum nicht? Letztlich und entscheidend hängt dies wie immer von der Qualität der verantwortlichen Persönlichkeiten und der Trainer ab.

In Ihrer Rede auf der Trauerfeier für Robert Enke haben Sie mehr Menschlichkeit im Fußball gefordert. Sehen Sie diese schon?

Lassen Sie mich mit einer Gegenfrage antworten: Im Leistungssport begegnen sich doch auch Menschen, warum sollen denn dort menschliche Verhaltensweisen tabu sein? Natürlich können Erfolgs- und wirtschaftliche Drucksituationen natürliche Verhaltensweisen von Menschen verändern. Nicht ohne Grund sagt man: Der Zweck heiligt die Mittel. Aber hat uns nicht gerade die WM 2006 gezeigt, dass die deutsche Mannschaft auch als Dritter gefeiert wurde?

Wie kann Menschlichkeit in einem Leistungssport durchgesetzt werden?

Also, wie in vielen Bereichen unseres Lebens brauchen wir gute Beispiele, die sich zum Vorbild eignen und Orientierung geben. Die Wirkung von Fair-play- Aktionen, die der DFB und seine Landesverbände seit 15 Jahren praktizieren, sollten nicht unterschätzt und auch medial dargestellt werden. Natürlich wird es weiterhin Negativ-Erscheinungen geben. Aber wir brauchen vor denen nicht zu kapitulieren, wenn auch die vielen guten Beispiele sichtbar werden.

Die Fragen stellte Robert Ide.

Theo Zwanziger, 64, ist Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB). Bei der Gedenkfeier für Nationaltorwart Robert Enke, der an Depressionen litt und sich umbrachte, hielt er die Trauerrede.

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