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Sport: Tour de France: Marcel Wüst steigt aus - Er hatte deutsche und französischen Radfans gleichermaßen begeistert

Der "Bergkönig" der ersten Tour-Tage hatte den Mont Ventoux vor Augen, doch schon nicht mehr im Sinn. Marcel Wüst saß auf einer Wippe hinter dem Mannschaftshotel mit Söhnchen Alexander, 21 Monate alt, auf dem Schoß und Ehefrau Heike als Gegenüber.

Der "Bergkönig" der ersten Tour-Tage hatte den Mont Ventoux vor Augen, doch schon nicht mehr im Sinn. Marcel Wüst saß auf einer Wippe hinter dem Mannschaftshotel mit Söhnchen Alexander, 21 Monate alt, auf dem Schoß und Ehefrau Heike als Gegenüber. Auf seine Kameraden aus dem Festina-Team wartete am nächsten Tag der "Mond-Berg", auf den Kölner die Sonne. "Jetzt wird Familienurlaub gemacht. Morgen nehmen wir die letzte Ausfahrt Avignon und bauen Sandburgen am Mittelmeer", sagte Wüst gut gelaunt.

Für den 32-Jährigen hatte seine zweite "Tour der Leiden" ein Ende. Die erste war 1992 schon bei der Auftakt-Etappe mit einem Schlüsselbeinbruch zu Ende. Die zweite schien lange zum Triumphzug zu werden. Wüst war Stammgast auf dem Podium. Vier Tage fuhr er im Bergtrikot, ihm gelang ein spektakulärer Etappensieg vor Erik Zabel auf der fünften Etappe, zwei weitere Tage trug er das Grüne Trikot.

Da aber schluckte er bereits Antibiotika ("Sieben Pillen morgens und sieben abends"), doch die Kur schlug nicht an. "Unser Teamarzt hat mir dringend zur Aufgabe geraten. Sonst steht meine Gesundheit auf dem Spiel, und das ist das einzige Kapital, das ich als Profi habe", sagte er. Die Bronchitis war nicht abgeklungen. "Ich habe noch immer leichtes Fieber, das kann bei den hohen Anstrengungen aufs Herz schlagen. Der kalte Wind am Ventoux hätte mir den Rest geben können. Man muss wissen, wann das Risiko zu groß wird."

Leicht gefallen ist ihm die Entscheidung nicht. "Ich hätte mich doch sonst nicht krank über die Pyrenäen gequält, wenn ich sowieso hätte aussteigen wollen." Er war 38 Minuten nach dem Sieger in Hautacam angekommen, aber immer noch weit vor dem Letzten, und neun andere hatten den Besenwagen bestiegen. Am Tag danach aber war Wüst stehend K.o., beendete das eher leichte Teilstück nach Revel am Ende der letzten Nachzügler und hustete ohne Ende. "Vielleicht wird es am Ruhetag besser, ich will immer noch nach Paris", stellte er trotzig fest. Doch eine zweite Antibiotika-Packung wollte der Teamarzt nicht verschreiben.

Für Weltenbummler Wüst, der seit Beginn seiner Profilaufbahn nur im Ausland unter Vertrag war, hat sich die Tour 2000 trotzdem gelohnt: "Ich habe eine Woche lang im Rampenlicht gestanden, unser Sponsor ist hochzufrieden, und in Deutschland weiß man nun auch besser, was ich kann." Dennoch: In Spanien und Frankreich ist der "Rheinländer mit Herz und Seele" weitaus populärer als zu Hause. Mit seinem beherzten Auftritt mit und ohne Rad hatte er sich besonders in die Herzen der Franzosen katapultiert. Vor allem, weil er der Landessprache wie ein Einheimischer mächtig ist. "Die Intelligenz an der Macht", titelte die Lokalzeitung "Ouest France" nach dem Tagessieg von Wüst. Die Pariser "Le Monde" hatte ihn in der vergangenen Woche auf einer Seite gewürdigt. "Ich habe mich schon immer für mehr als nur Fußball, Fahrrad und Playboy interessiert", sagt Wüst.

Die Spanien-Rundfahrt (26. August bis 17. September) ist in diesem Jahr sein nächstes großes Ziel. Danach würde sich Wüst sehr für einen Olympia-Start in Sydney interessieren. Die Chancen sind aber gleich Null, wie Telekom-Pressesprecher Olaf Ludwig, gleichzeitig Vize-Präsident des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), in seiner Funktion als Verbandsvertreter bestätigte. "Anfang des Jahres haben wir für den fünfköpfigen Olympia-Kader neun Kandidaten aufgestellt, in dem Wüst nicht dabei war. Er hat bisher kein Interesse angemeldet, und der Sydney-Kurs kommt kaum für reine Sprinter in Frage", meinte Ludwig.

Im nächsten Jahr will Marcel Wüst aber auf jeden Fall den dritten Anlauf bei der Tour de France unternehmen, "dann aber mit der letzten Ausfahrt Paris", wie er sagt.

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