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Doll

© dpa

Trainer Doll: Salami im Trainingsanzug

Thomas Doll wird als Trainer von Borussia Dortmund scheibchenweise demontiert. Die Chefriege meidet Aussagen zur Zukunft des 42-Jährigen.

Nachdem das Spiel gegen den VfB Stuttgart gelaufen war, nahm Thomas Doll im Presseraum des Dortmunder Stadions seinen Platz auf dem Podium ein und hörte den Ausführungen des Kollegen Armin Veh zu. Die Arme hatte Doll vor seinem Körper verschränkt, seine Miene war versteinert, die braunen Augen blickten starr geradeaus. Sieht so ein Sieger aus? Kaum. Dabei hatten der BVB-Trainer und seine Spieler soeben 3:2 gegen den abgelösten Meister gewonnen und dabei eine Stunde lang ein wirklich ansehnliches Spektakel gezeigt. „Der Sieg ist für einen Trainer in meiner Position natürlich wichtig“, sagte Doll mit bittersüßer Miene. Für echte Freude über den gelungenen Auftritt blieb kaum Platz, weil das Hickhack um den 42-Jährigen in Dortmund seit Wochen das allumfassende Thema ist.

Mittlerweile hat das Gemauschel und Geflüster groteske Züge angenommen. Ständig werden in den Medien die Namen von Männern gehandelt, die angeblich in der kommenden Saison auf der Dortmunder Bank sitzen werden, reflexartig dementiert die Klubführung, sobald neue Gerüchte in Umlauf gebracht worden sind. Vor dem Stuttgart-Spiel hieß es, der BVB sei am Holländer Leo Beenhakker interessiert. BVB-Geschäftsführer Hans- Joachim Watzke gab zu Protokoll, es habe „keine direkten und indirekten Kontakte gegeben“, doch Beenhakker wurde in der Tageszeitung „De Telegraaf“ zitiert, er habe Dortmund abgesagt, weil sich der polnische Nationaltrainer auf die Europameisterschaft konzentrieren wolle: „Es soll keine Unruhe aufkommen.“ Nach der EM sei er jedoch gern bereit, die Gespräche wieder aufzunehmen. Die Frage, wie es zu einer Absage kommen kann, wenn es vorher keinen Kontakt gab, gehört zu den vielen Merkwürdigkeiten im Dortmunder Umfeld.

Mitten drin im stillosen Spiel steht Thomas Doll, der seiner Wut in der Rede vor dem Spiel in Frankfurt Luft verschafft hat und nun um Souveränität ringt. Die Frage, ob er selbst überhaupt noch Lust verspüre, in einem solchen Umfeld zu arbeiten, empfand er dabei beinahe als rührend: „Das hat mich noch keiner gefragt, hier werden ja nur noch neue Namen gehandelt.“ Noch im Februar hatte Doll seinen Vertrag bis 2010 verlängert, allerdings wird kolportiert, eine Abfindung von 450 000 Euro sei als Passus im Kontrakt festgeschrieben gewesen. Sportdirektor Michael Zorc mag das Gezerre weder dementieren noch kommentieren, er empfindet „das ganze Spiel als unwürdig“.

Dabei verschweigt Zorc, dass die handelnden Personen beim BVB eine gehörige Mitschuld daran tragen, dass der in die Kritik geratene Doll scheibchenweise seziert wird. Vor Wochen haben sie sich auf die Sprachregelung festgelegt, ihr Klub führe keine Trainerdiskussion, die sie seitdem gebetsmühlenartig wiederholen. Doch auf die unmissverständliche Frage, ob Doll in der kommenden Saison noch im Amt sein werde, verweigern sie beharrlich eine eindeutige Antwort.

Genau diese Unsicherheit ist der Boden, auf dem Spekulationen gedeihen. Als es für alle Beobachter längst beschlossene Sache schien, dass Dolls Tage in Dortmund gezählt sind, überraschte Watzke Dienstag Abend mit einer neuen Variante: „Der Trainer hat alle Rückendeckung der Welt“, gab Dortmunds starker Mann zu Protokoll, „und das weiß er auch.“ Warum Watzke für sein plötzliches Treuebekenntnis ausgerechnet diesen Zeitpunkt wählte, nachdem er sich so lange bedeckt gehalten hatte, ist eine weitere Obskurität im Dortmunder Possenspiel. Klarheit gibt es derzeit keine, nur Fragen: Fehlt es der Dortmunder Führungsriege an strategischem Geschick? Hält der Klub an Doll fest, weil ihm die Alternativen fehlen? Ist die unsägliche Debatte am Ende eine reine Medienkampagne ohne Inhalt? Was werden die Entscheidungsträger veranlassen und wann? Mittendrin in diesem Spannungsfeld befindet sich ein Trainer, der längst zum Spielball geworden ist. Nach dem Sieg gegen Stuttgart ist die Lage bei Borussia Dortmund nebulös wie nie: Der Job von Thomas Doll ist bombensicher – bis zur nächsten Niederlage.

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