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Sport: Trinidads Tapferkeit

Gegen Schweden schafft der Außenseiter ein 0:0

Leo Beenhakker hatte gute Laune, und er gab sich keine Mühe, sie zu verbergen. „Da habt ihr gestaunt, was“, sagte der holländische Fußballlehrer bei seinem Auftritt vor der internationalen Presse. Ja, das ganze Dortmunder Westfalenstadion hatte sich gewundert, 63 000 Zuschauer waren überrascht davon, mit welcher Chuzpe die von Beenhakker angeleitete Mannschaft aus Trinidad & Tobago in ihrem WM-Debüt ein 0:0 gegen Schweden ertrotzte. Und das keineswegs mit einer ausschließlich zur Abwehrschlacht im eigenen Strafraum versammelten Belegschaft. Im Gegenteil, Beenhakker setzte ein Zeichen für den Offensivgeist, wie man es selten sieht, und bei einer Weltmeisterschaft schon gar nicht.

Das geschah in der für Trinidad kritischsten Phase des Spiels, zu Beginn der zweiten Halbzeit. Nachdem Verteidiger Avery John wegen seiner zweiten Grätsche in das Schienbein von Wilhelmsson die zweite Gelbe Karte gesehen und sein Mitwirken unfreiwillig beendet hatte, wechselte Beenhakker einen Stürmer ein, Glen Cornell vom US-Team Los Angeles Galaxy. Das verwirrte die Schweden so sehr, dass sie das Spiel beinahe verloren hätten. Sie waren zwar überlegen und erspielten sich Torchance um Torchance. Aber nie waren sie einem Treffer so nahe, wie es die Trinidader waren bei Cornells Schuss vom rechen Strafraumeck an die Oberkante des Lattenkreuzes.

Beenhakker kostete seinen Triumph aus. In den vergangenen Wochen habe er immer wieder gelesen, seine Mannschaft sei bei dieser WM nicht einmal ein Außenseiter und müsse gar nicht erst antreten. „Aber wir reden hier über Fußball, und nicht über Mathematik. Alles ist möglich“, auch wenn die Voraussetzungen noch kurz vor dem Spiel denkbar schlecht waren. Beim Aufwärmen hatte sich Torhüter Kelvin Jack mit einer schon überwunden geglaubten Wadenverletzung abgemeldet. Ersatzmann Shaka Hislop flog gleich an der ersten Flanke vorbei, doch danach steigerte sich der Mann von West Ham United zu einer großartigen Leistung. Mehrfach rettete Hislop gegen die frei vor ihm auftauchenden Schweden, vor allem Zlatan Ibrahimovic und Marcus Allbäck taten sich hervor beim Vergeben bester Torchancen. Bescheiden wehrte Hislop alle Glückwünsche ab: „So viel hatte ich gar nicht zu tun, unsere Abwehr hat einfach großartig gespielt.“

Als alles vorbei war, ging Beenhakker zu Ibrahimovic und flüstert ihm ein paar Worte ins Ohr. Die beiden kennen sich seit gemeinsamen Tagen bei Ajax Amsterdam, und Beenhakker mochte den Inhalt ihrer Unterhaltung partout nicht verraten, „das ist privat“. Was der Trainer von Trinidad & Tobago dem schwedischen Stürmer da erzählte, blieb geheim. Es trug jedenfalls nicht zur Aufheiterung des Stürmers von Juventus Turin bei. „Wenn du kein Tor schießt, kannst du auch nicht gewinnen“, sagte Ibrahimovic, und auch Trainer Lars Lagerbäck trauerte um „die vielen Chancen, die wir vergeben haben“.

Doch trotz der zum Teil erdrückenden Überlegenheit fehlte das Entscheidende im schwedischen Team: die Ruhe und das Selbstvertrauen, eine dezimierte und technisch limitierte Mannschaft erst müde und dann k. o. zu spielen. Ibrahimovics Kunststückchen, das Herumspringen auf dem Ball und Streicheln mit der Sohle, lassen ihren Interpreten besonders arrogant wirken, wenn sie nicht klappen. Vielleicht war es auch ein Problem der Kondition. Fredrik Ljungberg gewann zum Schluss kaum noch ein Laufduell, und Henrik Larsson sah für ein Frustfoul kurz vor Schluss sogar die Gelbe Karte. Die Schweden hatte der Sturmlauf mehr Kraft gekostet als die Trinidader das Verteidigen in Unterzahl.

„Gebt uns nicht die Schuld daran, dass sie keine Tore geschossen haben“, spottete Beenhakker und verwies auf die prominent besetzte schwedische Offensive mit Spielern von den Topklubs Arsenal, Barcelona und Juventus. Trinidad und Tobago setzte auf eine Abwehrreihe, deren Alltag sich in Los Angeles, Gillingham und Jabloteh abspielt. „In Jabloteh, versteht ihr?“, sagte Beenhakker, „bestimmt hat keiner hier eine Ahnung, wo das überhaupt liegt.“ Zur Aufklärung: Der San Juan Jabloteh Sports Club ist geschätztes Mitglied der Trinidad & Tobago Premier League. Aber das hat am Samstagabend in Dortmund keinen mehr interessiert.

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