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Peking 2008 - Schwimmen

© dpa

TV-Kritik: Phelps fehlt: Ein Trauerbericht

Norbert Thomma verspürt einen Phantomschmerz wegen Michael und Mutter.

Die senile Bettflucht ist ein Geschenk. Sie treibt einen in die Arme von Olympia, Nacht für Nacht, den Zeitzonen sei dank. Das Fenster zum Hof steht weit offen, kühler Wind weht herein, der Himmel über Berlin noch finster, ein Blick hinaus sagt: Kreuzberg schläft, kein Licht nirgendwo, sogar der lange lesende Nachbar liegt im Dunkel.

Und zur Begrüßung winkte stets Michael Phelps, eine verlässliche Größe nicht nur im Wasser, sondern auch auf dem Bildschirm, Vorlauf, Endlauf, Siegerehrung, Pressekonferenz, Phelps grüßte wie das Murmeltier, Morgen für Morgen ab 4 Uhr, er war da, wie die Kollegen im Büro da sind, ein Vertrauter, schon fast ein Freund, gedopt oder nicht, ich kannte ihn, den Rhythmus seiner Arme, seine Mutter auf der Tribüne – seine knubbeligen Flusspferdohren.

Ist eigentlich schon jemand aufgefallen, dass Michael Phelps Oberkörper geformt ist wie ein Surfbrett und die Ohren an Flusspferde erinnern? Ist es sehr verschwörerisch zu denken, diese acht Goldmedaillen seien einem Geheimlabor der CIA o. ä. entsprungen?

Es bleiben nur Beachvolleyball und BMX

Nun sind sie verschwunden, Michael und Mutter, 100 Millionen Dollar wert der Spross, jeder Cent sei ihm gegönnt, dem treuen Gefährten der kurzen olympischen Nächte. Was bleibt? Am Mittwoch früh also, 4 Uhr 11, spielen im ZDF zwei brasilianische Duos Beachvolleyball gegeneinander, Emanuel Rego schlägt auf, na und?, ich kenne ihn nicht und auch nicht die drei anderen.

Rüber zu Eurosport, dort fahren Frauen mit Sturzhelmen auf BMX-Rädchen über sandige Buckelpisten; sieht aus wie eine Spieleinlage auf dem Kindergeburtstag, in Pausen fegt – kein Witz! – ein Platzwart den Sand, der Videotext meldet, ab 7 Uhr käme Segeln.

Um 4 Uhr 24 steht es zwischen den Brasilianern 19:19 im ersten Satz, es ist mir egal, wer gewinnt. Phelps ist durch niemanden zu ersetzen. Ich gehe ins Bett und lese Detlef Kuhlbrodts melancholische Geschichten (Suhrkamp, 8 Euro), sehr zu empfehlen; ein Text dauert etwa 200 Meter Kraul.

Es bleiben auch noch: die Umfrage, die Abstimmung

Ist Michael Phelps wirklich der größte Olympionike aller Zeiten? Diskutieren Sie mit, stimmen Sie ab, klicken Sie hier.

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