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Sport: „Überall waren Dellen“

Kunstschmied Wilhelm Nagel restaurierte den DFB-Pokal und ärgert sich über Rudi Assauer

Herr Nagel, wo werden Sie, wenn überhaupt, das Finale um den DFBPokal sehen?

Ich werde vorm Fernseher sitzen. Aus dem Finale ist ja fast schon ein Staatsakt geworden. Ich bin stolz, dass ich den Pokal schuf.

Es könnte ja sein, dass Ihnen seit dem vergangenen Jahr die Freude am Pokal vergangen ist.

Weil den Schalkern der Pokal aus den Händen geglitten ist? 38 Jahre lang ist nichts passiert – und dann das. Sie können sich vorstellen, was passiert, wenn ein sechs Kilo schwerer Pokal auf die Straße schlägt.

Der Pokal war schiefer als der Turm von Pisa.

Schlimmer noch. Aber jetzt sieht der Pokal wieder aus wie in seiner ursprünglichen Form. Ich habe Monate daran gearbeitet.

Was mussten Sie denn reparieren?

Hören Sie, reparieren können Sie Uhren. Der Pokal musste restauriert werden. Es war ein Dilemma. Der Pokal musste mehrfach aufgeschnitten werden. Der obere Ring war oval statt rund. Der Fuß war eingedrückt. Überall waren Dellen. Das ganze Kunstwerk war verzogen. Ich kann Ihnen gar nicht alles aufzählen, was ich tun musste.

Was haben Sie gesagt, als das gute Stück vom Tieflader plumpste?

Ich habe es kommen sehen. Der Herr Assauer wirkte mir doch leicht angesäuselt. Als ich den Pokal später vor mir in Wesseling auf dem Tisch stehen hatte, habe ich nur noch geweint. Ich musste lange mit mir ringen, ob ich ihn wirklich restaurieren sollte. Aber dann bin ich in mich gegangen und habe mir gedacht: Wer kann das sonst machen, du bist doch der Schöpfer!

Bei der Übergabe des von Ihnen restaurierten Pokals an den DFB trugen Sie weiße Handschuhe.

Ich wollte damit dokumentieren, dass eine gewisse Distanz zu diesem Kunstwerk durchaus angebracht ist.

Hat sich denn Schalkes Manager Rudi Assauer bei Ihnen schon bedankt?

Was denken Sie? Dieser Herr hat mich nur einmal angerufen und heftig beschimpft. Er polterte, warum ich ihm die Presse auf den Hals hetzen würde.

Und was haben Sie geantwortet?

Ich habe erst einmal gefragt, wen ich denn da am Telefon habe. Der Herr Assauer hatte es vergessen, sich vorzustellen.

Wie kam Assauer auf die Idee, dass Sie ihm die Presse auf den Hals hetzen würden?

Ich kann mir nur vorstellen, dass es so war: Bei Schalke haben sie den schiefen Pokal in die Vereinsvitrine gestellt. Er wurde fotografiert, und das Foto ist dann auch in den Zeitungen erschienen. Daraufhin haben sich wohl einige Presseleute gemeldet.

Es war doch schon das Fernsehen live dabei, als Assauer vor vielen tausend Fans mit dem verbeulten Pokal hantierte.

Das werden wohl auch ein, zwei Leute gesehen haben. Der Herr Assauer war wohl einfach ein bisschen sauer.

Ein schlechtes Gewissen inklusive?

Das bezweifele ich. Bedankt hat er sich bis heute noch nicht bei mir. Nicht jeder Mensch ist kulturell so gebildet, um zu wissen, was er in der Hand hält.

Das Gespräch führte Michael Rosentritt.

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