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Brenzlige Lage. Beim Bundesligaspiel Frankfurt - Kaiserslautern kam es am Samstag zu schweren Ausschreitungen. Foto: dpa

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Sport: Übergriffe mit System

Diskriminierung ist Alltag auf deutschen Plätzen

Berlin - „Schwule Sau!“, „Scheiß Itaker!“, „Zick, zack, Zigeunerpack!“ Der deutsche Fußballfan schimpft gern. Gegen die Gastmannschaft, gegen den Schiedsrichter, die anderen Fans, das eigene Team. Doch oft sind Fangesänge mehr als nur Beschimpfungen. Fußball, das ist in den Köpfen einiger Anhänger noch immer das Spiel des weißen, heterosexuellen Mannes. Kein Platz für Ausländer, Frauen, Schwule und Behinderte.

„Diskriminierungen gehören zum Fußball-Alltag dazu“, sagt Eren Ünsal, Leiterin der Landesantidiskriminierungsstelle Berlin. „Es gibt nicht nur vereinzelte Beleidigungen und Übergriffe, sondern eine systematische Verankerung.“ In den Bundesligen ist das Problem nicht mehr so stark ausgeprägt wie früher: Spiele werden überwacht, die Polizei ist präsent, es gibt Stadionverbote. Aber in den unteren Ligen, im Amateurbereich, gibt es immer wieder Fälle von Gewalt und Diskriminierung – neben und auf dem Platz.

„Wir sind bei weitem noch nicht bei der Lösung aller Probleme“, sagt Bernd Schultz, Präsident des Berliner Fußballverbands. Am vergangenen Wochenende mussten in der Hauptstadt schon wieder drei Spiele wegen gewalttätiger Auseinandersetzungen abgebrochen werden. „Die Zahl von Spielabbrüchen und Gewalttätigkeiten nimmt insgesamt zwar ab, auch im Jugendbereich. Aber wir haben immer noch Diskriminierung, Rassismus und Antisemitismus“, sagt Schultz.

Ein Fakt, der gerade im Trubel der „schwarz-rot-geilen“ Feierstimmung bei der WM 2006 unterging. Von wegen Sommermärchen: Nach dem verlorenen Halbfinale gegen Italien gab es mehrere Übergriffe auf italienische Restaurants und Imbisse. Und auch Nationalspieler Gerald Asamoah musste sich ob seiner ghanaischen Wurzeln die rechtsradikale Parole „Nein Gerald, du bist nicht Deutschland“ von der mittlerweile verbotenen Organisation „Schutzbund Deutschland“ anhören. Bei der EM 2008, nach dem Halbfinale der deutschen Elf gegen die Türken, griffen Neonazis und Hooligans gemeinsam drei türkische Imbisse in Dresden an. Und auf Amateurebene versuchen rechtsextreme Funktionäre immer wieder, Vereinsgremien zu unterwandern und neue Mitglieder für ihre Parteien zu gewinnen.

Viele Vereine haben seit Ende der 80er Jahre Gegenbewegungen gegründet. Fanvereinigungen, die sich gegen Diskriminierungen aller Art einsetzen, Aktionswochen organisieren, antirassistische Turniere ausrichten. Seit 1993 gibt es das Bündnis Aktiver Fußballfans, das momentan mit ihrer neuen Ausstellung „Tatort Stadion 2“ durch Deutschland zieht. „Wir wollen über Diskriminierungen aufklären und die Fans sensibilisieren“, sagt Martin Endemann, der das Projekt mit seinen Kollegen entwickelt hat.

Erst spät hat der Deutsche Fußball-Bund reagiert. „Mit der Wahl von Theo Zwanziger hat es beim DFB einen Sinneswandel gegeben“, sagt Schultz. Zwanziger sei der erste Vorsitzende gewesen, der die Probleme überhaupt zur Kenntnis genommen hat. „Aber es gibt noch viel Arbeit“, sagt Schultz. Man brauche sich nur mal ein D-Jugend-Spiel anzuschauen. Die Kinder würden sich nur beschimpfen, meist unter der Gürtellinie. „Es würde schon helfen, wenn sich die Spieler vor dem Spiel die Hand geben“ sagt Schultz. „Man muss ja nicht gleich befreundet sein, aber könnte zumindest etwas normaler miteinander umgehen.“

Die Ausstellung „Tatort Stadion 2“ ist noch bis zum 2. April (montags bis samstags, 11 bis 19 Uhr) im Goal, Ritterstraße 12-14, 10969 Berlin zu sehen.

Christian Wermke

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