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Sport: Unglaubliche Weiten

Die Kubanerin Menendez wirft Weltrekord mit dem Speer – Silber für Obergföll, Bronze für Nerius

Es war ein Wurf, der weiter war als ihre Vorstellungskraft. Der Speer flog über alle Linien und blieb an einer Stelle im Gras stecken, die Christina Obergföll gar nicht mehr genau sehen konnte. „Ich hatte keine Ahnung, wie weit das gewesen sein könnte“, sagte sie. Als dann auf der Anzeigetafel 70,03 Meter aufleuchteten, schlug die 23 Jahre alte Badenerin ihre Hände vors Gesicht und legte erst einmal ein paar Meter mit Freudensprüngen zurück. Sie hatte bei der Weltmeisterschaft in Helsinki ihre eigene Bestleistung um 5,44 Meter verbessert, den deutschen Rekord von Tanja Damaske um 3,12 Meter und auch noch den Europarekord der Norwegerin Trine Hattestad um 55 Zentimeter. Bis jetzt hat erst eine Athletin weiter geworfen, die Kubanerin Osleidys Menendez. Sie tat das auch gestern und erzielte mit 71,70 Metern einen neuen Weltrekord. Hinter der neuen Weltmeisterin Menendez und Obergföll kam Steffi Nerius auf Platz drei.

Christina Obergföll konnte so nicht weitermachen. Sie brauchte nach ihrem Rekordwurf eine Pause, um wenigstens ein bisschen zu verstehen, was sie gerade geschafft hatte. Drei Würfe ließ sie aus und setzte sich auf eine Bank. Bis zum letzten Versuch hatte sie sich ein bisschen erholt. „Ich war erst einmal mit mir selbst beschäftigt. Es wird wahrscheinlich noch ein paar Tage dauern, bis ich das alles wahrgenommen habe“, sagte sie.

Ihr Wurf war so außergewöhnlich, dass Christina Obergföll ihn auch mit einer Stunde Distanz kaum beschreiben konnte. „Er ging richtig gut von der Hand weg, das habe ich noch gemerkt.“ Es ist der viertweiteste Wurf, seit 1999 der neue Speer eingeführt wurde. Ihr Ziel für diese Weltmeisterschaft war eigentlich ein viel bescheideneres. Sie wollte ihre Bestmarke vielleicht ein wenig verbessern und vielleicht auch einmal weiter werfen als Steffi Nerius. Die hatte dagegen sogar mit der Goldmedaille geliebäugelt. Doch am Ende hatte sie fast sieben Meter Rückstand auf die Siegerin.

Steffi Nerius, die Silbermedaillengewinnerin von Athen 2004, kann sich vielleicht damit trösten, im besten Speerwurffinale dabei gewesen zu sein, das es seit der Einführung des neuen Speers gegeben hat. Zwei der vier besten Würfe, dazu von anderen Teilnehmerinnen noch persönliche Bestleistungen. Die Dänin Christina Scherwin etwa verbesserte den Landesrekord um 1,71 Meter. „Einen solchen Wettbewerb werde ich nie wieder erleben. Ich sollte jetzt glaube ich aufhören“, sagte sie. Begeistert war sie nicht nur von sich, sondern auch von Christina Obergföll: „Ihr Wurf war unglaublich gut. Sie hat ihn wahnsinnig feste geworfen und ist dann noch mit ihm nach vorne gesprungen – perfekt. Ich freue mich, dass es jetzt endlich jemand gibt, der die Kubanerin herausfordert.“

Menendez hatte den Wettbewerb gleich fulminant eröffnet. Ihr erster Wurf flog weiter als alle zuvor. Es war der dritte Weltrekord bei dieser Weltmeisterschaft. Zuvor hatten schon die Geherin Olimpiada Iwanowa und die Stabhochspringerin Jelena Isinbajewa die bisher besten Ergebnisse übertroffen. 100 000 Euro erhält jede von ihnen für diese Leistung.

Wenn sie auch schon keine Medaille gewonnen haben, so haben die Finnen für ihre Lieblingsdisziplin der Leichtathletik wenigstens eine großartige Bühne bereitet. Der Speerwurf liegt ihnen am Herzen, sogar ein Rollstuhlwettbewerb fand im Rahmen der Weltmeisterschaft statt. Die Finnen feuerten die Werferinnen immer wieder an. Die bedankten sich dafür mit Höchstleistungen, allen voran Menendez und Obergföll. „Ich weiß nicht, wie oft ich im Leben so etwas erleben werde. Ich hoffe nicht, dass man jetzt von mir erwartet, dass ich immer so weit werfe“, sagte Obergföll.

Mit Steffi Nerius zog sie nach ihrem Erfolg zum Jubeln durchs Stadion. Außer Obergfölls Wurf gab es schließlich noch ein Gemeinschaftsergebnis zu feiern, und Nerius sagte: „Vielleicht werden wir in Deutschland jetzt auch so ein bisschen speerwurfverrückt wie die Finnen.“

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