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Unruhe bei Hertha: Tumult auf dem Trainingsplatz

Der interne Verdrängungswettbewerb bei Hertha BSC zieht nicht spurlos an den Spielern vorüber. Im Training am Donnerstag kommt es zu Handgreiflichkeiten, bei denen sogar Trainer Babbel eingreifen muss.

Berlin - Irgendwann, als die ganze Angelegenheit mal kurz aus dem Ruder zu geraten drohte, griff Markus Babbel ein. Während Torwart Maikel Aerts seinen Mitspieler Raffael beherzt bei den Hüften gepackt hatte, um ihn zurückzuhalten, stellte sich Herthas Trainer dem Brasilianer in den Weg. Besser war es auch. Vorausgegangen war ein Handgemenge zwischen Sebastian Neumann und Raffaels Bruder Ronny, der, weil er den Ball im Zweikampf zu verlieren drohte, wohl mit den Armen unfair zu Werke gegangen war. Das wiederum war Christian Lell zu bunt geworden, der Neumann zur Hilfe eilte. Inzwischen war auch Raffael involviert. Wer dabei genau wen wie anfasste, oder wer wen lautstark beleidigte, soll hier nicht weiter ausgeführt werden. Es war auch nicht so leicht, den Überblick zu behalten. Irgendwann jedenfalls hatte Raffael die Nase voll, er drehte ab und wollte den Trainingsplatz verlassen. Es bedurfte einiger Mühe, um den ungehaltenen 26-Jährigen davon abzubringen. Hektisch blieb es.

Natürlich versuchte Markus Babbel, diese unschönen Szene vom Trainingsplatz hinterher herunterzuspielen. Der Trainer sprach von „Testosteron-Überschuss“ und fragte lakonisch, ob seine Einheiten die Spieler zu wenig forderten, wenn sie noch Kraft für solcherlei Rangeleien übrig hätten. Doch so einfach ließ sich der Zwischenfall nicht beilegen, zumal die Betroffenen selbst nach dem Duschen vergnatzt blieben. „Wir haben noch nicht miteinander gesprochen“, sagte Raffael schlecht gelaunt, als er aus der Kabine kam. Auch er, es war nicht anders zu erwarten, spielte die Vorgänge herunter. „Das ist etwas Normales, so etwas passiert mal im Training.“

Nun, das tut es eben nicht. Dafür war der Zwischenfall in seiner Intensität zu auffällig. Er erinnerte ein wenig an jenen Tumult beim Viertelfinale der WM 2006, als nach dem Elfmeterschießen die unterlegenen Argentinier auch noch die Nerven verloren und um sich schlugen. Schließlich waren auch gestern Vormittag viele Hände damit beschäftigt gewesen, den Konflikt in halbwegs vernünftige Bahnen zu lenken. Auch die des Trainers. Selbst Michael Preetz, der Augen- und Ohrenzeuge war, stand der Schrecken ins Gesicht geschrieben. Hinterher war der Manager noch lange auf dem Trainingsplatz und unterhielt sich mit Kapitän Andre Mijatovic. Auch der hatte sich etwas anhören müssen von seinen Mitspielern während der Einheit. Auch dieser zweite Vorfall lässt tief blicken.

Christian Lell versuchte als Erster, dem Ganzen etwas Positives abzugewinnen. „Man sieht, dass Reibung da ist. Das muss nicht schlimm sein. Da gibt es Spieler, die in die Mannschaft wollen. Und diese wollen sich beweisen und sich zeigen“, sagte Lell. Angesprochen durfte sich insbesondere Ronny fühlen, der bisher keine Rolle spielt und offenbar zum Jähzorn neigt. Hinzu kommt, dass er in Zweikämpfen schon immer gern ein paar Nickeligkeiten einstreut. Lell sprach etwa von der „Angewohnheit, nach Ballverlust nachzuschlagen“. Ronny und Raffael seien zwar sehr emotionale Spieler, „aber ich hoffe, dass sie das mal lassen“, sagte Lell. Für den Verteidiger sei der Vorfall erledigt, allerdings sei eine Entschuldigung fällig. Und Lell kennt sich bekanntermaßen mit solchen Dingen aus.

Der interne Verdrängungswettbewerb, den Babbel mit dem Wiederaufstieg in die Bundesliga noch einmal forciert hat, zieht nicht spurlos an den Spielern vorüber. In der Gruppe schwingen Spannungen mit, und obgleich die Saison noch jung ist, hat sich bei einigen Spielern Unzufriedenheit aufgestaut. „Wenn es bei uns Unzufriedenheit gibt, dann vielleicht bei denen, die nicht spielen“, sagte Raffael. Auch er hatte sich mit dem Umstand zu arrangieren, so manches Spiel von der Ersatzbank aus zu beginnen. Für einen Spieler seiner Qualität und seines Gemüts keine einfache Aufgabe.

Im Match beim HSV zählte Raffael wieder zur Startelf und zeigte ein gutes Spiel. Rein sportlich gibt es für das Spiel am kommenden Sonntag in Hannover keinen Grund, Veränderungen vorzunehmen. Die Aussichten für Ronny waren und bleiben dagegen keine guten. „Mein Bruder muss weiterhin arbeiten, damit er zum Einsatz kommt“, sagte Raffael. Über Folgen des Handgemenges vom Vormittag mochte er nicht mehr reden. Das übernahm sein Gesichtsausdruck.

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