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Sport: Vertikal in die Spitze

Das Team von Bundestrainer Joachim Löw hat seit der WM an Qualität gewonnen und kann bei der EM um den Titel spielen

Das Spiel steckte noch im Entstehen, da setzte sich Joachim Löw auf eine große schwarze Lautsprecherbox, die unweit der Trainerbank stand und in Richtung des Spielfeldes zeigte. Dieses Plätzchen verließ der Bundestrainer allerdings recht bald wieder. Löw hatte wohl erkannt, dass es selbst dann nichts Großartiges mehr werden würde, wenn er seiner Elf zweckdienliche Hinweise elektronisch verstärkt zukommen ließe. Die Stimmung in der ausverkauften Hamburger Arena war prächtig, das Spiel selbst aber blieb rumpelig bis platt. Dass die deutsche Nationalelf die Slowaken trotzdem 2:1 schlug, sei „ja auch eine Qualität“, wie es der Siegtorschütze Thomas Hitzlsperger sagte. „Solche Spiele muss man auch mal gewinnen, und das machen wir im Moment“, sagte Torsten Frings. „Wenn wir unsere Leistung bringen, dann kann uns keiner aufhalten.“

Joachim Löw würde diesen Satz so nie sagen. Dafür ist der 47-Jährige zu sehr Pädagoge und zu sehr Perfektionist, und dafür war die Saison für die Nationalspieler lang und strapaziös. Das Spiel war fahrig und teilweise geschwindigkeitslos. Löw hatte nach den Eindrücken der vergangenen Tage schon erwartet, dass das Spiel „eher fußballerischer Alltag werden, dass es 90 Minuten lang wehtun würde“. Dem Spiel der Deutschen fehlte es wie schon gegen San Marino an Dynamik und Passgenauigkeit. „Ich habe gespürt, dass die Spieler im Kopf ein bisschen leer waren“. Dass die beiden letzten Gegner vor der Sommerpause massiv defensiv eingestellt waren gegen den WM-Dritten, mochte der Bundestrainer aber nicht als Entschuldigung gelten lassen. Künftig wird das öfter so sein. In gewisser Weise ist das der Fluch des eigenen Erfolges. Die Gegner würden den Deutschen wieder vermehrt einen gewaltigen Respekt entgegenbringen. Diese Einschätzung vertrat Ersatzkapitän Bernd Schneider: „Vielleicht haben die mehr Angst und denken mehr an die Defensive.“

Die Gesamtleistung der Nationalmannschaft seit der WM kann sich sehen lassen. Von elf Spielen unter Joachim Löw hat die Mannschaft neun gewonnen. Lediglich ein Freundschaftsspiel gegen Dänemark ging verloren – „ein bisschen mit Ansage“, wie es Michael Ballack sagte. Ende März in Duisburg hatte Löw fast seine komplette erste Elf geschont und vielen Perspektivspielern eine Chance gegeben. „Wenn man die Statistik betrachtet, können wir sehr zufrieden sein“, sagte Ballack, „wir haben die Euphorie der WM auf die EM-Qualifikation übertragen können.“

Beim mitternächtlichen Dinner im Mannschaftshotel rief DFB-Präsident Theo Zwanziger den Bundestrainer als „Glücksfall für den deutschen Fußball“ aus. Für Franz Beckenbauer „gibt es keinen besseren“. Ganz gleich, was 2008 passiert, „wäre es gut, wenn er länger bleibt“. Auch innerhalb der Mannschaft ist der ehemalige Assistent von Jürgen Klinsmann höchst anerkannt, weil er auch schon in den zwei Jahren vor der WM mehr war als nur ein Kotrainer. Christoph Metzelder verstieg sich in die Aussage: „Er ist der Architekt unserer Spielphilosophie“.

Der hymnisch Besungene ertrug so viel Lob nur schwer. Seine Analyse fiel sachlich und zielorientiert aus. „Es war nicht leicht, nach der tollen WM das Niveau hochzuhalten, aber wir haben es geschafft“, sagte Löw. Er machte der Mannschaft ein Kompliment, „jeder Spieler hat eingebracht, was er kann“. Viele Spieler, insbesondere Hitzlsperger, Marcell Jansen und Mario Gomez hätten sich enorm entwickelt.

Das Team ist ohne große Hänger durch die EM-Qualifikation gegangen. „Wenn man die Kontinuität betrachtet, hat die Mannschaft im Vergleich zur WM noch einen Schritt nach vorn gemacht“, sagte Ballack. Top-Nationen wie Weltmeister Italien, England, Spanien, Portugal und Holland zittern um einen Endrundenplatz. Kein anderes europäisches Team hat es wie Deutschland in sieben Spielen auf 19 Punkte gebracht. Und das, obgleich 16 der 23 deutschen WM-Spieler mit Verletzungen zu tun hatten. „Es war ein überragendes Spieljahr. Es war nicht nur erfolgreich, sondern wir haben auch schönen Fußball geboten“, sagte Oliver Bierhoff. Der Team-Manager bezog sich auf die Spiele gegen Schweden im August 2006, in der Slowakei im Oktober 2006 sowie den Sieg in Tschechien im März dieses Jahres.

Die wohl wichtigste Erkenntnis für Löw ist aber: Die Mannschaft hat eine Grundordnung, ein System verinnerlicht. Ab sofort gehe es darum, „die individuelle Qualität zu heben, nur so ist ein weiterer Fortschritt zu erreichen“, sagte Löw. Nur wenn sich jeder einzelne Spieler nochmals verbessere, hebe das die Qualität der Mannschaft. In einem Jahr sollte die Mannschaft titelreif sein. Dann wird es auch Joachim Löw laut sagen.

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