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© dpa

VfL Wolfsburg: Spätschicht statt Spätspiel

Wolfsburg kämpft auch im Viertelfinale der Europa League mit dem Makel eines Werksklubs.

Von Christian Otto

Diese kleine Indiskretion konnten sie sich nicht verkneifen. Wenn ein prominenter Schauspieler wie Hugh Grant eine Vip-Karte für ein Fußballspiel ordert, kann man dazu dezent schweigen – oder die Sache für sich nutzen. Der VfL Wolfsburg hat sich im Kampf um mehr Zuschauer und Aufmerksamkeit für die offensive Variante entschieden. Grant wird also nach Angaben des Gastgebers heute (21.05 Uhr/live bei Sky und Kabel eins) seinem Londoner Lieblingsverein, dem FC Fulham, in Wolfsburg die Daumen drücken, wenn es um den Einzug in das Halbfinale der Europa League geht. „In diesem Spiel kann Historisches passieren“, findet VfL-Chef Dieter Hoeneß. Der Mann wird Kraft seines Amtes nicht müde, die Werbetrommel für seinen neuen Verein zu rühren und lässt nichts unversucht, um potenzielle Zuschauer von der Aussicht auf einen großen Fußballabend zu überzeugen.

Die Probleme eines noch jungen Klubs, der sich so gerne als erfolgreiche Marke im internationalen Fußball etablieren möchte, fangen schon bei der Spätschicht des Hauptsponsors an. Viele VW-Arbeiter laden in diesen Tagen in Internetforen Ärger darüber ab, dass ihre Vorgesetzten erst kurzfristig entscheiden, ob das Spiel des VfL wichtiger als die letzten Stunden im Betrieb ist. „Es wäre schön, wenn wir zumindest 20 000 Zuschauer im Stadion hätten“, sagt Hoeneß, der wohl ahnt, dass ihm bei der Vermarktung dieser niedersächsischen Fußballfirma eine ganze Menge Arbeit bevorsteht. Mit Thomas Röttgermann weiß er seit kurzem einen Fachmann an seiner Seite, den er noch aus dessen Zeit bei der Vermarktungsagentur Sportfive kennt. Die beiden VfL-Geschäftsführer kämpfen um Aufmerksamkeit für den Wolfsburger Verein, dem trotz seiner Meisterschaft im Vorjahr weiter der Makel eines Werksklubs anhaftet. Das scheint deutlich schwieriger zu sein, als auf dem Platz die 1:2-Niederlage aus dem Hinspiel gegen den FC Fulham noch zu egalisieren.

Die Fernsehquoten nach den Achtelfinal-Hinspielen in der Europa League haben dem VfL schmerzhaft aufgezeigt, wie es im frei empfangbaren Fernsehen um seinen Stellenwert bestellt ist. Während der Hamburger SV auf „Sat 1“ bis zu fünf Millionen Sofa-Gäste begeisterte, wollten den Wolfsburgern bei ihrem von „Kabel eins“ übertragenen Auftritt lediglich 590 000 Menschen die Daumen drücken. Heute, wenn die Partien der beiden Vereine erneut zeitgleich übertragen werden, ist mit ähnlichen Werten zu rechnen. Der VfL ärgert sich seit seinem Titeltriumph mit einem medialen Problem herum. Während der Vorrunde der Champions League stand man im Schatten des FC Bayern. Und dass es in der Europa League gerade darum geht, den bisher größten internationalen Erfolg in der Wolfsburger Vereinsgeschichte zu manifestieren, ist angesichts der Auftritte der Nordrivalen Werder Bremen und Hamburger SV untergegangen. „Wir müssen uns einen solchen Status, wie ihn die Bayern und andere große Klubs haben, erst noch erarbeiten“, sagt Hoeneß. Dazu passt es, dass das heutige Spiel erneut nur beim Spielfilm-Spartensender Kabel eins frei zu empfangen ist.

Zumindest einer in Wolfsburg kann sich damit anfreunden, dass das Europapokal-Fieber rund um die VfL-Partie gegen Fulham überschaubar bleibt. „Ein bisschen Ruhe tut bei dieser schweren Aufgabe ganz gut“, findet Lorenz-Günther Köstner, der nach der Entlassung des erfolglosen Armin Veh nur als Übergangstrainer verpflichtet worden war, aber mehr Erfolg als sein Vorgänger vorweisen kann. Weil es nicht zu den Stärken des 58-Jährigen gehört, euphorisch aufzutreten, wird an einer neuen Lösung für die Trainerbank gearbeitet. Gesucht wird ein prominenter Trainer, der fachlich, aber auch medial so glänzen kann, damit die wichtigsten Wolfsburger Spätschichten zukünftig in jedem Fall im Fußballstadion des VfL geschoben werden.

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