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Sport: Viel Rauch und kein Funke

Nach dem Motorplatzer in seinem vorletzten Rennen gibt Michael Schumacher die Hoffnung auf den Titel auf

Erst puffte es zaghaft, dann immer stärker und regelmäßiger, und schließlich schoss eine fast undurchdringliche weiße Rauchfontäne in den Himmel von Suzuka, die Michael Schumachers Hoffnung verschlang. Jene Hoffnung, sich den Abschluss seiner einmaligen Karriere mit dem achten Titel in der Formel 1 zu versüßen. Sekunden später parkte Schumacher seinen Ferrari, den Verursacher des weißen Rauchs, am Streckenrand von Suzuka, während der Spanier Fernando Alonso in seinem Renault mit gereckter Faust an ihm vorbei zum Sieg beim Großen Preis von Japan raste. Damit ist Schumachers größtem Rivalen im Kampf um den WM-Triumph der Titel quasi nicht mehr zu nehmen. In seinem letzten Grand Prix am 22. Oktober in Interlagos (Brasilien) müsste der Deutsche bei zehn Punkten Rückstand schon gewinnen und Alonso ohne Zähler bleiben, um doch noch Weltmeister zu werden – eine unwahrscheinliche Variante.

Schumacher ertrug den Verlust seines Traums würdevoll. „Vielleicht werden ja Wünsche wahr“, hatte er noch vor dem Rennen gesagt – ein Sieg und keine Punkte für Alonso hätten ihm den Titel beschert. Doch er wusste sofort, was der Rauch zu bedeuten hatte, den er in der 37. Runde im Rückspiegel sah: „Ausfall, zehn Punkte weg, damit ist im Prinzip die Meisterschaft entschieden.“ Er hätte wütend sein können, verbittert, genervt. Doch der sonst so harte und ehrgeizige Kämpfer kam fast gelassen an die Ferrari-Box zurück. Er ging von einem Mechaniker zum anderen, schüttelte jedem lange die Hand, bedankte sich für die Unterstützung und umarmte viele seiner langjährigen Helfer, die laut Schumachers Renningenieur Chris Dyer „am Boden zerstört“ waren. Dann trat Schumacher an die Boxenmauer zu seinen Vorgesetzten Ross Brawn und Jean Todt und redete freundlich mit ihnen. Es war wie ein vorgezogener Abschied nach elf gemeinsamen Jahren.

Auch nachdem die spanische Hymne für seinen Rivalen Alonso erklungen war, wirkte Schumacher eher versöhnlich als enttäuscht. Er habe das Geschehene bereits verdaut, das sei alles kein Problem – auch wenn es seine letzte Chance auf einen WM-Titel gewesen sei: „Ich habe alles versucht in diesem Jahr, es sollte halt einfach nicht sein. Wir haben zusammen schon so viel erreicht, wir hatten eine Meisterschaft wieder spannend gemacht, die schon entschieden schien. Darauf dürfen wir stolz sein.“ Schumacher wurde sogar philosophisch: „Wenn das jetzt hier nicht klappt, geht die Welt nicht unter“, sagte der 37-Jährige. „Das Leben besteht halt aus Höhen und Tiefen. Wenn alles immer nur schön wäre, würde es doch ganz schnell langweilig werden.“

Das Hoch, das ihn so unvermittelt erfasste, konnte Fernando Alonso kaum begreifen. „Diese zehn Punkte sind ein kleines Gottesgeschenk“, sagte der Weltmeister, der das Rennen vor Felipe Massa (Ferrari) und seinem Teamkollegen Giancarlo Fisichella gewann. Vor einer Woche in Schanghai war der Renault-Pilot als großer Favorit ins Rennen gegangen und am Ende doch von Schumacher geschlagen worden. Diesmal schien Ferrari, vor allem dank der Bridgestone-Reifen, fast unschlagbar. Überraschenderweise konnte Alonso sich vom fünften auf den zweiten Platz an Schumacher herankämpfen. Den Sieg aber hätte er ohne Schumachers Aus 16 Runden vor Schluss wohl kaum geschafft. „Als ich den Rauch sah, dachte ich erst, es sei ein anderes Auto“, berichtete Alonso. „Ich konnte es nicht glauben, denn einen technischen Ausfall bei Ferrari sieht man nicht so oft. Erst als ich neben ihm war, habe ich gemerkt, dass es Michael ist.“ So überwältigt war der Spanier, dass er seiner Freude per Becker-Faust und über den Boxenfunk freien Lauf ließ. Alonso sagte: „Das ist ein kleiner Ausgleich, nachdem ich so viel Pech gehabt habe.“ Feiern aber werde er nicht: „Die WM wird erst in Brasilien entschieden.“

Diese Einschätzung mochte Schumacher nicht teilen. „Der Funke Hoffnung, der noch bleibt, auf den baue ich nicht“, sagte er betont nüchtern. Und dann sagte er den Satz, den er sich vermutlich für seinen 250. und letzten Grand Prix aufgehoben hatte: „Ich gehe jetzt nach Hause.“

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