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Riskant, aber richtig. Die Nominierung von Georg Grozer (rechts) beflügelte das deutsche Team – sportlich und emotional.

© dpa

Volleyball-EM: Ganz der Papa

Georg Grozer hat großen Anteil am Erfolg der Deutschen bei der Volleyball-Europameisterschaft.

Den Namen Georg Grozer verbindet der gemeine Volleyballfan schlagartig mit verschiedensten Eigenschaften. Enorme Sprung- und Schlagkraft zum Beispiel oder schier endlos lange Arme. Aber eben auch: enfant terrible, schwieriger Typ – eigentlich stimmt alles davon. Nur muss man auch wissen, dass zur Geschichte des deutschen Männer-Volleyballs Georg Grozer senior und junior gehören. Der Vater, mittlerweile 49 Jahre alt, produzierte in den neunziger Jahren Schlagzeilen. Bei der Europameisterschaft in Berlin 1991 warf er dem damaligen Bundestrainer Igor Prielozny seine Schuhe vor die Füße, nachdem dieser Grozer im Spiel um Bronze ausgewechselt hatte. Wenige Tage später, auf dem Weg zur Olympia-Qualifikation in Japan, stritten sich Grozer und Prielozny im Frankfurter Flughafen schließlich dermaßen, dass das deutsche Team ohne Grozer abflog. Die Olympia-Qualifikation für Barcelona wurde verpasst. Mit Grozer hätte es wahrscheinlich geklappt.

Gut zwanzig Jahre später steht der Junior im Blickpunkt. Bei der Europameisterschaft in Polen und Dänemark hat die deutsche Mannschaft das Viertelfinale erreicht. Dort wartet heute Bulgarien (20.00 Uhr/Sport 1 live), das den Co-Gastgeber Polen aus dem Turnier warf. In der Vorrunde haben Grozer und sein Team unter anderem Siege gegen eben jene Bulgaren, immerhin Olympiavierte in London, und den Olympiasieger Russland gelandet. Damit hatte niemand gerechnet.

Womöglich hat der Anschauungsunterricht Wirkung gezeigt, den die Männer beim Europameisterschaftsfinale der Frauen in Berlin genommen haben. Das Kribbeln, das Grozer beim Silbermedaillengewinn der deutschen Volleyballerinnen vor stimmungsvoller Kulisse in der Max-Schmeling-Halle vernahm, erfasst ihn auch noch im polnischen Gdingen. „Es hat mich sehr fasziniert, was für eine positive Grundstimmung alle im Team ausstrahlten“, sagt Grozer junior. In keiner Sekunde habe er gespürt, dass da einer „den Kopf hängen ließ, egal wie das Spiel lief.“ Gegen Bulgarien habe er Ähnliches erlebt, als das Team ohne ihn als Diagonalangreifer gewann, „weil ich nicht meinen besten Tag hatte“. Grozer weiß aus eigener Erfahrung, dass eine gute Atmosphäre zehn bis fünfzehn Prozent mehr Adrenalin freisetzen kann: „Das steigert meine Leistung automatisch.”

Über Grozers Leistungsfähigkeit war im Vorfeld lange gerätselt worden. Nach der langen Saison bis zum Titelgewinn mit dem russischen Klub Belgorie Belgorod lag ihm ein Angebot eines katarischen Klubs vor, der sich für den nationalen Pokalwettbewerb verstärken wollte. „Da hätte ich für zehn Tage mehr Geld bekommen als viele Bundesligaspieler in einem Jahr“, sagt Grozer. Trotzdem hat er es nicht angenommen, es war ihm zu viel. Zudem verletzte sich Grozer im Mai an der Schulter und musste operiert werden. Erst am 15. August hat er wieder einen Volleyball in die Hand genommen. Dazwischen war einfach Urlaub angesagt. Italien, Kroatien, Ungarn, Moers.

Bundestrainer Vital Heynen nominierte ihn dennoch. Das war eine riskante, aber richtige Entscheidung, zumal sich Kapitän Jochen Schöps mit einer Bauchmuskelverletzung plagt. Zwei angeschlagene Diagonalangreifer? Keine gute Ausgangsposition bei der EM, die bislang erstaunlich gut läuft für die Deutschen.

Grozer junior ist auf dem Weg, besser zu werden als der Papa. Eine Olympia-Teilnahme wie die des Sohnes in London hat die Familie noch nicht erlebt, eine EM-Medaille auch nicht, und die würde sich gut machen im Hause des Juniors. Der richtet sich gerade in seinem Neubau in Moers einen Raum für Pokale ein, neben dem Raum mit Pokertisch, Spielautomaten und einer Regalwand für Bacardi-Flaschen. Die hat ihm der Papa gebaut. „Ich bin aber auch auf Medaillen fixiert”, sagt Grozer junior. Gar nicht so unwahrscheinlich, dass er ein schönes Souvenir mit nach Hause bringt.

Klaus Wegener

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