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Sport: Von der Bühne

Noch nie gab es so viele Abschiede nach einer Fußball-EM – einige haben schon im Turnier begonnen

Rui Costa ist in Portugal ein Held. Der Spielmacher vom AC Mailand hatte die Junioren-Nationalmannschaft 1991 in Lissabon zum WM-Sieg geschossen, mit dem letzten Schuss im finalen Elfmeterschießen gegen Brasilien. Ohne dieses Tor wäre wahrscheinlich nie der Begriff der Goldenen Generation kreiert worden. 13 Jahre später geben die Helden von damals bei der Europameisterschaft im eigenen Land ihre Abschiedsvorstellung.

Allein Luis Figo zählt noch zur Stammelf, seine Freunde Fernando Couto, Costinha und eben Rui Costa sitzen auf der Ersatzbank. Es wird wohl in den nächsten Tagen zu einem kleinen Rücktrittsdomino kommen, denn Trainer Luiz Felipe Scolari will die Mannschaft zur Weltmeisterschaft 2006 in Deutschland verjüngen. Rui Costa machte den Anfang, und zwar schon vor dem EM-Finale gegen Griechenland (bei Redaktionsschluss dieser Ausgabe noch nicht beendet). „Es war eine große Ehre, so viele Jahre für mein Land zu spielen, aber jetzt ist die Zeit für unsere jungen Spieler gekommen“, sagt der 32-Jährige.

Rui Costa ist der Prominenteste unter denen, die das EM-Turnier in Portugal als Bühne zum Abschied nutzen. Auch der Russe Alexander Mostowoi und der Däne Ebbe Sand haben ihren Rücktritt verkündet, in Deutschland wird es wohl einschneidende Veränderungen geben, in Frankreich steht ähnlich wie bei den Portugiesen eine ganze Generation von Spielern zur Disposition: das Rückgrat der Mannschaft, die vor sechs Jahren in der Heimat Weltmeister wurde.

Einen sehr viel größeren Umbruch aber gibt es jenseits des Rasens. Zählt man den als sicher geltenden Rücktritt des holländischen Nationaltrainers Dick Advocaat mit, trennen sich acht von 16 Endrundenteilnehmern von ihren Übungsleitern. So viel Wandel auf der Bank war noch nie.

Den spektakulärsten Rücktritt leisteten sich die Deutschen. Teamchef Rudi Völler deprimierte die Vorstellung seiner Mannschaft in der Vorrunde so sehr, dass er sich die Weltmeisterschaft 2006 im eigenen Land nicht mehr antun mochte. Während der Deutsche Fußball-Bund immer noch mit einer quasi öffentlichen Ausschreibung einen Nachfolger sucht, sind andere schon fündig geworden. Zum Beispiel die Spanier. Sie verpflichteten Luis Aragones, den sie daheim den Fußball-Weisen nennen, weil er bei 757 Ligaspielen auf der Bank saß, so oft wie kein anderer spanischer Trainer. Um Aragones zu bekommen, hatte der Verband aber erst einmal den gescheiterten Inaki Saez zur freiwilligen Demission drängen müssen. Saez hatte noch drei Tage nach dem K.o. in der Vorrunde getönt: „Ich werde weitermachen. Rücktritt ist etwas für Feiglinge.“ Über Nacht aber befand der Baske, es sei doch angenehmer, für einen Tag ein Feigling zu sein, als sich über Wochen und Monate dem Druck der spanischen Medien auszusetzen.

Eine ehrenvolle Lösung fanden die Italiener für Giovanni Trapattoni, der sich schon nach der WM vor zwei Jahren in Japan und Südkorea nur mit Mühe im Amt gehalten hatte. Nach dem unglücklichen Scheitern hinter den punktgleichen Dänen und Schweden akzeptierte Trapattoni zwar sein Scheitern, mochte aber auf keinen Fall vor dem Ende seiner Vertragslaufzeit aufhören. So bleibt er nun noch bis zum 15. Juli offiziell im Amt, hat aber mit dem Neuaufbau der Nationalmannschaft nichts mehr zu tun. Darum kümmert sich ab sofort sein Nachfolger Marcello Lippi.

Einen eher ungewöhnlichen Abgang wählte auch der Franzose Jacques Santini. Schon Wochen vor dem ersten EM-Spiel nahm er sich selbst seine Macht mit seiner Ankündigung, er werde nach der EM zu Tottenham Hotspur wechseln, weil dort mehr Geld zu verdienen sei. Als der Europameister dann schon im Viertelfinale sensationell an den Griechen scheiterte, schickte Santini seiner Mannschaft noch einen netten Abschiedsgruß hinterher: „Bei dieser EM hat Frankreich auf niedrigstem Niveau gespielt. Beinahe so wie die Deutschen.“

Ein wenig traurig waren die Bulgaren über den Rückzug ihres Trainers Plamen Markow, den sie gern gehalten hätten. Ein Angebot zur Vertragsverlängerung lag vor, doch nach drei Niederlagen in den drei Vorrundenspielen war der schweigsame Taktiker nicht zum Weitermachen zu überreden. Sanft war der Übergang bei den Schweden, die sich mit Lars Lagerbäck und Tommy Söderström sieben Jahre lang eine Doppellösung auf der Trainerbank geleistet hatten. Lagerbäck macht weiter, Söderström übernimmt die U 21.

Die selbstgerechteste Rücktrittsformulierung formulierte der mit Kroatien gescheiterte Otto Baric: „Gott sei Dank ist es vorbei – obwohl ich für die Zukunft unserer Nationalmannschaft die beste Lösung gewesen wäre.“ Die selbst ernannte Zukunftshoffnung Baric steht im 72. Lebensjahr.

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