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Kann wieder lachen. Verteidiger Marcelo war im WM-Halbfinale 2014 auch mit dabei.

© Soeren Stache/dpa

Vor dem Deutschland-Spiel in Berlin: Brasilien ist auch ohne Neymar konkurrenzfähig

Der Superstar fällt verletzt aus, doch Brasiliens Fußballteam kann ihn mittlerweile ersetzen. Seit dem 1:7 hat sich vieles verändert.

Schön, dass der 1. FC Union zum zumindest kalendarisch beginnenden Frühling den Rasen ausgetauscht hat. Beim 2:2 des Berliner Zweitligisten gegen Regensburg vor zehn Tagen zur Einweihung der neuen Halme war von deren segnender Wirkung noch nicht allzu viel zu sehen, aber für die Brasileira kommen sie gerade recht. „Das Stadion ist recht klein, aber für das Training perfekt“, sagt der Verteidiger Miranda, er streichelt den Ball für gewöhnlich für Inter Mailand im Stadio Giuseppe Meazza.

Zwei Tage lang hat der brasilianische Tross in Köpenick Station gemacht. 23 Spieler plus Trainerstab und eine Legion von Kameraleuten, Fotografen und Reportern, die sich wundern, dass sie in der Kapitale des Weltmeisters nicht alle Nase lang auf das „Sete a um“ angesprochen werden, das 7:1 der Deutschen vor vier Jahren im WM-Halbfinale von Belo Horizonte, das die Brasilianer immer noch als Massaker empfinden. „Für die Deutschen ist das Vergangenheit“, notiert der Reporter der Zeitung des Onlinedienstes „Veija“ und freut sich zudem über den mitfühlenden Respekt des Beamten bei der Einreise und dessen Einschätzung über die positive Entwicklung in Brasiliens Nationalmannschaft.

Auch der Verteidiger Miranda weist kurz, aber bestimmt darauf hin, „dass 2014 in unseren Köpfen keine Rolle mehr spielt. Das ist eine schöne Erinnerung für die Deutschen und eine traurige für uns. Aber wir leben in der Gegenwart und denken an die Zukunft – nicht an die Vergangenheit.“ Es ist ein neues Brasilien, das sich in Berlin vorstellt. Eines, das seine besten Spieler auf den Rasen schickt und nicht nur nette Burschen, die dem unseligen WM-Trainer Luiz Felipe Scolari zu persönlicher Loyalität verpflichtet waren. Miranda etwa vereidigte im Sommer 2014 für Atletico Madrid und stand als Stammspieler im Finale der Champions League. „Ich glaube schon, dass ich der Mannschaft hätte helfen können“, sagt er nach dem Training in Köpenick.

Neue Spieler, neue Taktik, neuer Geist

Scolari vertraute in der Innenverteidigung lieber auf Chelseas David Luiz, der taktisch so wirr spielte wie seine Starkstromfrisur gestaltet ist. Wenn Miranda in Berlin konstatiert, „dass unsere Mannschaft heute sehr viel besser eingestellt ist“, darf das auch als gar nicht so leise Kritik an Scolari gewertet werden.

Das neue Brasilien ist auf so ziemlich allen Positionen besser besetzt. Die Torhüter Alisson (AS Rom) und Ederson (Manchester City) spielen auf höchstem internationalen Niveau, Miranda gibt der Innenverteidigung Stabilität, ganz vorn drängen Roberto Firmino (Liverpool), Douglas Costa (Juventus Turin) und Gabriel Jesus (Manchester City) auf den Nachweis, dass es zur Not auch ohne den auch diesmal verletzten Weltstar Neymar geht – 2014 undenkbar, wie beim 1:7 von Belo Horizonte zu besichtigen war.

Vordenker. Cheftrainer Tite (l.) und Assistent Cleber Xavier haben die Seleçao wieder in die Spur gebracht.
Vordenker. Cheftrainer Tite (l.) und Assistent Cleber Xavier haben die Seleçao wieder in die Spur gebracht.

© Soeren Stache/dpa

Der bemerkenswerteste Qualitätssprung aber ist in der Etappe zu verzeichnen. Unter Scolari drängte die Seleçao auf ein schnelles Tor und anschließend darauf, mit kleineren aber umso häufigeren Fouls den Spielfluss des Gegners zu unterbrechen. Der neue Trainer Tite legt Wert auf eine Gestaltung des Spiels. Mit Künstlern wie Barcelonas Philippe Coutinho, der 2014 gar nicht erst dabei war, oder Chelseas Willian, für Scolari nur zweite Wahl. Das defensive Zentrum verantwortet Real Madrids Casemiro, von dem auch dessen Klubkollege Toni Kroos sagt, „dass er Brasilien damals sehr gut getan hätte“.

Jetzt sucht Tite noch einen, der den Rhythmus vorgibt – eine Nummer 10 wie früher Pelé, Rivaldo oder Ronaldinho. Fernandinho kann das, Willian auch, aber in Berlin will er es mit Renato Augusto probieren. Der frühere Leverkusener ist gerade 30 und verdient sein Geld mittlerweile in China bei Beijing Guoan. Dort gestaltet er sicher nicht auf höchstem Klub-Niveau, wird im Umkehrschluss aber auch körperlich nicht so sehr strapaziert, auf dass er am Ende der Saison noch Kraft genug für ein langes WM-Turnier in Russland haben könnte. So wie auch Neymar die Zwangspause wegen des Fußbruchs in Paris nicht ganz ungelegen kommt, was die Interessen der Nation betrifft.

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