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Perfektes Versteck. Als Mattuschka noch Unions Kapitän war, verzogen sich die Mitspieler hinter seine breiten Schultern.

© imago/Eibner

Vor dem Nürnberg-Spiel: 1. FC Union: Mehr Mannschaft als Mattuschka

Seit Trainer Norbert Düwel das Klubidol Torsten Mattuschka am Anfang der Saison ausmusterte, hat sich der Teamgeist beim 1. FC Union entwickelt.

Immer noch sichtlich bewegt stand Benjamin Köhler lange nach Spielschluss im Innenraum des Stadions An der Alten Försterei und freute sich über den Zuspruch seiner Kollegen. Die hatten ihr Spiel gegen den VfL Bochum (2:1) in der Anfangsphase unterbrochen, um ihrem Mitspieler Mut im Kampf gegen dessen Krebserkrankung zu machen. Eng umschlossen standen sie da, alle in weiße T-Shirts gekleidet, mit Köhlers Trikotnummer sieben vorn auf der Brust.

Eine verschworene Gemeinschaft ist die Mannschaft des 1. FC Union in dieser Saison, nicht erst seit Köhlers schwerer Erkrankung. Die Idee für die Aktion kam aus dem Team heraus und wurde von allen Spielern mitgetragen. Der Gemeinschaftssinn war in der Vergangenheit zwar auch schon recht ausgeprägt, doch ist die Situation inzwischen eine andere als in den Jahren zuvor. Der desaströse Auftritt gegen den 1. FC Nürnberg (0:4) vor nicht ganz einem halben Jahr brachte eine Zeitenwende beim Berliner Zweitligisten. Es war das letzte Spiel, bei dem Torsten Mattuschka zur Mannschaft des 1. FC Union gehörte. Der langjährige Kapitän, Unions Vereinsidol der letzten zehn Jahre, wechselte wenige Tage später zu Energie Cottbus. Es war auch eine Flucht vor Trainer Norbert Düwel und dessen Erneuerungseifer.

Am Sonntag treten die Berliner zum Rückspiel beim 1. FC Nürnberg (13.30 Uhr) an, und es scheint, als läge das Hinspiel bereits eine gefühlte Ewigkeit zurück. Viel hat sich seitdem verändert, nicht nur personell. Neben Mattuschka sind auch Baris Özbek und Adam Nemec nicht mehr dabei. „Wir sind von den Spielern her unterschiedlich aufgestellt, aber wir gehen die Spiele mittlerweile auch ganz anders an“, sagt Düwel. Er spricht von einem neuen „Selbstverständnis“ als Folge der positiven Resultate der vergangenen Spiele. „Die läuferische Qualität, die spielerische Qualität, die taktische Qualität – alles hat sich gesteigert“, sagt Düwel. „Die Mannschaft weiß die eigenen Stärken inzwischen besser einzusetzen.“

Düwel sieht sich in seinem Erneuerungskurs bestätigt, der ihm zunächst viel Kritik eingebracht hatte, weil er die Dinge scheinbar allzu radikal anging. Im Nachhinein hat es sich für die Mannschaft als Vorteil herausgestellt, dass Düwel den Umbruch ohne größere Einschränkungen vorantreiben konnte. Mit Mattuschka wäre sein Vorhaben schwieriger zu bewältigen gewesen. Das Verhältnis zwischen dem Publikumsliebling und dem Trainer war schon nach wenigen Wochen irreparabel, ihr Konflikt hätte das Binnenklima mit großer Wahrscheinlichkeit über Wochen gestört. Grüppchenbildung wäre eine mögliche Folge gewesen.

Hinter Mattuschka schlich sich in der Mannschaft eine Kultur des Zurücklehnens ein

Über viele Jahre war Mattuschka der Spieler, um den sich beim 1. FC Union alles drehte. Als unumstrittener Chef in der Kabine, beliebt bei Mitspielern und im Klub. Lief es nicht, trat er vor die Presse und hielt den Kopf hin. Auf der anderen Seite bekam er bei Siegen oft das meiste Lob ab. Bewusst oder unbewusst schlich sich in der Mannschaft eine Kultur des Zurücklehnens ein, hinter Mattuschkas breiten Schultern ließ es sich gut verstecken – gerade im Falle des Misserfolgs.

Die Mannschaft der Saison 2014/15 ist deutlich homogener, die Hierarchie flacher. Düwel hat die Verantwortung auf mehrere Spieler verteilt. „Das Klima hat sich deutlich verändert, neue Hierarchien haben sich gebildet oder sind dabei, sich zu festigen. Diese Entwicklung ist noch nicht abgeschlossen“, sagt Unions Trainer. Die Neubesetzung des Kapitänsamtes mit Damir Kreilach und die veränderte Zusammensetzung des Mannschaftsrates haben alte Strukturen aufgebrochen, frühere Leistungsträger mussten sich neu beweisen. Die Trainingsintensität nahm wieder zu, in den Einheiten herrscht ein gesunder Konkurrenzkampf. Zug sei wieder drin, heißt es aus der Mannschaft. Das war gerade im vergangenen Frühjahr, als Union viele Spiele verlor, nicht mehr der Fall.

Sportlich zeigt sich der Charakter der Mannschaft in der Art, wie Union mittlerweile die Spiele dreht. Bereits 14 Punkte hat der Berliner Zweitligist in dieser Saison nach Rückständen noch geholt – ein Spitzenwert und deutlicher Indikator dafür, dass es untereinander stimmt. „So etwas geht nur, wenn das Klima gut ist“, sagt Düwel mit Stolz.

So könnte Union spielen:

Haas - Trimmel, Puncec, Leistner, Schönheim - Kreilach, Parensen - Kobylanski, Skrzybski - Brandy, Polter.

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